Nymphenburg:Stehgeiger

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Italienisches Orchester darf beim Auftritt vor Schloss Nymphenburg nicht Platz nehmen

Von Sonja Niesmann, Nymphenburg

Ein Gratiskonzert eines italienischen Orchesters am Schloss Nymphenburg - bitte, gerne, aber nicht im Park, sondern im Ehrenhof vor dem Schloss am Fontänenbecken. Und keine Bestuhlung, die Musiker müssen das stehend durchstehen. Die Zuhörer natürlich auch. "Ein paar Stühle (Klappstühle) für Musiker mit großen Instrumenten, zum Beispiel Kontrabass" mitzubringen, gestattet Josef Schwab von der Bayerischen Schlösserverwaltung aber großzügig.

Wera Mühlbauer, eine Münchner Gästeführerin, die eine Gruppe aus Mantua während deren Aufenthalt in München betreut, ist perplex. Jedes Jahr, erzählt sie, geht die "Ente Filarmonico Guidizzolo Mantova", deren Repertoire sich zwischen Walzer und Lucio Dalla, Polka und Ennio Morricone bewegt, auf Reisen; in Schloss Schönbrunn in Wien hat sie schon gespielt, in Salzburg auf der Burg, in Ljubljana. Überall sei das recht unproblematisch zu organisieren gewesen, überall durften die Flötisten, Trompeter, Geiger und Schlagzeuger Platz nehmen. In München musste Mühlbauer erst eine Weile nach einem schönen Auftrittsort suchen, ehe sie von der Schlösserverwaltung eine Zusage bekam. Aber nur ein paar Stühle für 37 Musiker, bei einem dreiviertelstündigen Konzert? Das findet Wera Mühlbauer - sie sucht nach einem Wort und formuliert vorsichtig: "nicht sehr zugänglich".

Bei der Schlösserverwaltung verweist man auf die vielen Anfragen von in- und ausländischen Musikgruppen, die vor dieser stimmungsvollen Kulisse ein Ständchen zum Besten geben wollen. "Events" im Schlosspark und auf dem Platz vor dem Schloss werden aber grundsätzlich nicht bewilligt; die Besucher sollen ungestört "das ehemals königliche Ambiente" und die Ruhe genießen. Einzige Ausnahme: die sommerliche "Serenade im Park" an der Badenburg, die seit 60 Jahren stattfindet. Im Verzicht auf Bestuhlung also solle der "vorübergehende Charakter" der Darbietung zum Ausdruck kommen, argumentieren die Gebieter über Schloss Nymphenburg.

Nun schleppt zwar, mag man einwenden, ein bayerischer Blasmusikant bei Umzügen sein Instrument locker mal eine Stunde durch die Gegend - aber vielleicht sind die italienischen Musiker von zarterer Statur? Die Reaktion der leicht entnervten Organisatorin aus Mantua jedenfalls, berichtet Mühlbauer, sei gewesen: "Das geht nicht. So lange können die nicht stehen mit ihren Instrumenten." Fällt das Konzert am Samstag, 30. April, also aus? Oder spielen die Musiker "Reise nach Jerusalem"? Die Gästeführerin weiß es nicht. Vielleicht, sagt sie hoffnungsvoll, tue sich ja noch ein anderer Auftrittsort in München für jenen Samstagnachmittag (am Abend beginnt die Lange Nacht der Musik) auf? 37 Klappstühle bringen die Italiener zur Not selbst mit.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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