Freudige Zustimmung, aber auch bedingungslose Ablehnung - am Architekturentwurf für den neuen Komplex des künftigen Naturkundemuseums Biotopia am nördlichen Flügel von Schloss Nymphenburg scheiden sich nach wie vor die Geister. Sie könne es kaum erwarten, bis der moderne Trakt eröffnet werde, sagte zum Beispiel eine Biologie-Studentin in ihrem leidenschaftlichen Plädoyer für den Anbau. Unverständiges Kopfschütteln bei einem Mann: Die barocke Anlage erleidet seiner Ansicht nach schweren Schaden, wenn nach dem Konzept von Staab Architekten weitergeplant wird.
Zuvor hatten sich auch auf dem Podium einer Diskussionsveranstaltung deutliche Meinungsunterschiede bei den Experten gezeigt. Eingeladen hatte das Münchner Forum, das sich kritisch mit Fragen der Stadtentwicklung auseinandersetzt, in Kooperation mit dem Denkmalnetz Bayern, einem Zusammenschluss verschiedener Initiativen. "Was hat Priorität?", fragte Udo Bünnagel vom Forum: Das 300 Jahre alte Ensemble des Schlosses Nymphenburg mit den von Joseph Effner vorgegebenen Entwurfskriterien, die bei allen bisherigen Renovierungen, Um- und Neubauten respektiert worden seien, oder ein moderner Formenkanon mit der eigenständigen Handschrift eines Architekten?
Das Museum Mensch und Natur soll unter dem Namen Biotopia auf die dreifache Größe erweitert werden. Der Anbau ersetzt den ehemaligen Institutstrakt der Ludwig-Maximilians-Universität aus den Sechzigerjahren. Der Bestandsbau wurde als ungeeignet für eine Museumsnutzung angesehen. Deshalb lobte man 2014 einen Architektenwettbewerb aus, den das Büro Staab gewann. Der Entwurf bietet einen deutlichen Kontrast zur baulichen Umgebung. Mit seinem eigenständigen Charakter will der Komplex die besondere Bedeutung des Museums hervorheben. Die Bürger sollen sich in den verschiedenen Stadien der Überarbeitung des Gestaltungskonzepts informieren und ihre Meinung sagen können.
Vor allem der frühere Stadtheimatpfleger Gert Goergens und Architekt Per Pedersen aus dem Büro Staab gerieten bei der Podiumsdiskussion, die die Bürgerbeteiligungsexpertin Ursula Ammermann moderierte, aneinander. Goergens sagte, mit dem Neubau werde ein bewusster Bruch mit der Schlossanlage inszeniert. Nötig sei jedoch ein "Weiterbauen im Denkmalkontext und nicht etwas völlig Neues". Von grundsätzlicher Bedeutung sei, dass sich der neue Komplex gut in die vorhandene Struktur einfüge. Neven Denhauser von der Bürgerinitiative "Gemeinsam für Schloss Nymphenburg" erinnerte an die Komposition eines Gemäldes: "Wenn man da etwas wegnimmt und verändert, stimmt der ganze Bildaufbau nicht mehr." Wenn schon ein Neubau, dann sollte er auf das Areal des ehemaligen Landesamts für Maß und Gewicht in der Nähe des Botanischen Gartens kommen.
"Unser Büro baut nicht historisch", sagte Pedersen, "wir entwickeln bei jedem Projekt eine besondere Formensprache und eigenständige Haltung". Einen Bruch mit dem Ensemble strebt er nicht an. "Aber Geschichte hört nicht auf, sie lebt fort", sagte Pedersen. Nach Ansicht des Kunsthistorikers Hans Ottomeyer, ehemaliger Generaldirektor des Deutschen Historischen Museums in Berlin, muss Schloss Nymphenburg dagegen in die Weltkulturerbe-Liste der Unesco aufgenommen werden. Der künftige Anbau mache diesen Schritt unmöglich.
Silke Langenberg, Professorin für Bauen im Bestand, Denkmalpflege und Bauaufnahme an der Hochschule München, sieht in dem Projekt eine schwierige Aufgabe. Das Büro Staab habe im Zusammenhang mit der Verbindung von historischen und modernen Strukturen schon eine Reihe ausgezeichneter Lösungen erarbeitet. In München hatte es zum Beispiel viel Lob für die Erweiterungsbauten am Maximilianeum gegeben.
"Wir brauchen keinen funkelnden Diamanten, der uns anstrahlt und vom Schloss ablenkt", sagte Lorenz Schröter vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Der Schutz des Ensembles habe Priorität, und darauf achte das Landesamt auch.
Noch befinde man sich in einem Überarbeitungsprozess, sagte Architekt Pedersen. "Fragen und Hinweise werden seriös bearbeitet und bewertet", versprach er. Aber alle Wünsche könne man eben auch nicht erfüllen.