NullAchtNeun:Der große Manitou des MVV

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Eine gewisse kauzige Gemütlichkeit ist dieser Stadt auch auf offizieller Ebene wirklich nicht auszutreiben.

Harald Hordych

Die Kriminalität hat es in München weit gebracht. Sie ist unerfreulich wie überall, aber sie bewegt sich statistisch auf einem so niedrigen Niveau, dass sie sich in Imagebroschüren und an Tourismusbörsen als Werbefaktor bewährt.

Eine andere Sache ist es, wie die kriminell unterentwickelten Menschen hier mit Verordnungen umgehen, die ihnen im Falle der anderen Menschen als sinnvoll, im eigenen Fall aber als vollkommen sinnlos erscheinen. Dass es hier also zugeht wie überall. So brav können die Münchner nicht sein, wenn es zum Beispiel um das Ignorieren des absoluten Halteverbots geht. Es hat etwas Beruhigendes, dass selbst BMW- und Mercedesfahrer, die als glasklarer Fall von Karriere-Streber angesehen werden dürfen, die höchste Stufe des Aufenthaltsverbots ausblenden.

An der Ecke Chorherrenstraße/Johannisplatz werden derzeit die Schienen ausgewechselt. Zwei Bahnlinien sind deshalb auf den Bus umgestiegen. Und die nicht unbedingt handlichen Gelenkbusse der Münchner Verkehrsbetriebe müssen sich um die enge Kurve quetschen, was Fahrer oder Fahrerin ihre ganze Kunst abverlangt. Damit sie das überhaupt bewerkstelligen können, wurde die Kurve vergrößert, indem im Wendekreise des Langbusses striktes Halteverbot ausgesprochen wurde.

Manchmal wundert sich der Mensch, warum etwas nicht erlaubt ist, in diesem Fall genügen zehn Sekunden Betrachtung der Verkehrssituation die Regelung als Gipfel des Sinnvollen zu begreifen - wenn gerade ein Bus kommt, sobald ein Fahrzeug im markierten Bereich steht, stehen dann alle anderen auch.

Da jeder aber immer nur so kurz steht, wie es seine persönlichen Besorgungen erfordern und er somit das Recht hat, eine absolute Ausnahme im absoluten Halteverbot zu bilden und natürlich gerade kein Bus um die Ecke biegt, hört man immer wieder das Hupen des Busses, das Fahrern signalisieren soll: Hallo Partner! Fahr mit Gott, aber fahr' weg. Mehr als Hupen (manchmal rhythmisch, manchmal trötend wie in einem südafrikanischen Fußballstadion) kann so ein Fahrer nicht, und weil bei der Münchner Polizei für diese Zwecke noch kein Sondereinsatzkommando gebildet wurde, sieht man immer wieder die Fahrgäste bereits an der Ecke Chorherrstraße/Johannisplatz aussteigen. Geht ja nicht weiter.

Das sind so die kleinen Schauspiele des Alltags. Leider sind die Fahrgäste nie in der Stimmung, das flotte Hupen des Busses aufzugreifen und die Gelegenheit zu einem Spontantanz zu nutzen. Aber das ist eben München und nicht Afrika. Und deshalb steht jetzt auch abends immer ein Wagen des MVV, so ein schicker kleiner Bus, in dem ein Mann allein sitzt und auf die Ecke Chorherrstraße/Johannisplatz vergleichsweise untätig schaut.

Stundenlang. Immer, wenn aber ein Fahrzeug auf im Verbotsbereich abgestellt wird, wird der Mann aktiv. Er greift zum Mikrofon und dröhnt dem Fahrer über die Straße zu, ob er weiter im Halteverbot stehen zu bleiben gedenke. Und der erschrickt zu Tode, weil er glaubt, der große Manitou habe zu ihm gesprochen. Was für ein Job!

"Da lacht die ganze Straße!", erzählte der Mann kürzlich auf Nachfrage. Eine gewisse kauzige Gemütlichkeit ist dieser Stadt eben auch auf offizieller Ebene wirklich nicht auszutreiben. Gute Laune ist in der engsten Kurve.

© SZ vom 27.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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