Null Acht Neun:Wüste vor dem Rathausbalkon

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Statt in München soll das Oktoberfest in Dubai steigen - da kann man noch auf ganz andere Ideen kommen

Glosse von Ulrike Heidenreich

Dunkel liegt der Marienplatz da. Nur aus einem Rathausfenster im zweiten Stock links dringt ein feiner Schimmer, leise sind melancholische Gitarrenakkorde zu vernehmen. Es ist der Oberbürgermeister, der da spielt, eine Funzel leuchtet ihm. Er hat mal wieder die Sperrstunde verpasst und will so spät nicht unangenehm auffallen mit seinem Dienstwagen auf den Pop-Up-Radwegen und den Sommerstraßen. Bisschen langweilig ist ihm eh, gibt ja überhaupt keine Abendtermine mehr. Nicht mal das Anzapfen darf der Reiter Dieter heuer heimlich trainieren im Keller.

Darum nun Gitarre. Leonard Cohen, Pink Floyd. Die Akkorde von "Wish you were here" wabern über das steinerne Geländer des Rathausbalkons. Dort, wo in normalen Münchner Zeiten die Bayern von oben brüllen und die Fans umso lauter von unten. Hier, rund um die Mariensäule, haben fair entlohnte Arbeiter aus Katar Sand aufgeschüttet. Corona-Polonaise geht da jetzt wirklich nicht mehr. Denn große Zelte und ein sperriges Kamel kommen morgen auch noch drauf, auf den Sand. Mit den Wüstenstaaten lässt es sich gerade vortreffliche Tauschgeschäfte machen. Weil die Münchner ihren Weihnachtsmarkt künftig drei Mal pro Jahr an den Golfstaat ausleihen, hilft dieser mit einem landestypischen Basar aus, damit es nicht gar so öde ist. So wie auf der Theresienwiese, seitdem die Wiesnwirte gemerkt haben, dass man woanders mehr verdienen kann - und deren Zelte nun dauerhaft in Dubai stehen.

Nebenan übrigens, in Abu Dhabi, pfeift der Wind vom Persischen Golf durch die schnell zusammengezimmerten Schanigärten vor alkoholfreien Wüstentreffs. Wie prima, dass die einem das Copyright abgekauft haben und nicht gemerkt haben, dass es das in Wien schon lange gibt. Der Oberbürgermeister klampft weiter und denkt nach. Wie diesen fehlenden "dicken dreistelligen Millionenbetrag" in der Stadtkasse stopfen? War da nicht neulich ein lustiger Aufmarsch Richtung Grünwald, den man als Markenzeichen exportieren könnte? "Meet the Rich" - dies den Scheichs als Landesfolklore anzudrehen, haha, weitere Erklärungen nicht nötig.

Hm, die Auer Dult? Leider nicht mehr ausbaufähig. Längst in Bahrain. Wenn die Schausteller nach ihrem Gastspiel zurückkommen, geht es mitunter durcheinander beim Sortiment, arabische Tajines, bajuwarische Keramik, was soll's. Ha, aber dann gibts ja noch . . . Der Mann mit der Gitarre lächelt. Alles wird gut.

© SZ vom 08.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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