Null Acht Neun:Vorsicht, Werbung!

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München tut sich schwer mit Werbung in der Innenstadt. Wegen der Reizüberflutung. Dies hat eine Würdigung verdient

Kolumne von Andreas Schubert

Wörter mit "ung" hintenraus stehen oft für etwas Ungutes: Verunstaltung, Belästigung, Vermüllung zum Beispiel. Diese Begriffe fallen immer wieder, wenn es um - schon wieder so ein Ungwort - Werbung geht. Vielen Münchnern dreht es allein beim Gedanken daran regelmäßig den Magen um. Weil die Stadt aber ein Herz für ihre Bewohner hat, schützt sie diese vor allzu viel - Achtung ganz böses Wort! - Kommerzialisierung. So müssen demnächst vier Werbe-Bildschirme aus einem Schaufenster in der Fußgängerzone verschwinden, weil sie das Flair dieses wunderbarsten und schützenswertesten aller Münchner Straßenzüge stören.

Die Achse zwischen Stachus und Marienplatz zieht bekanntlich nur deshalb so viele Besucher an, weil die all die vielen Denkmäler und Kulturstätten dort sehen wollen: Das für die Pflege des Altmünchner Schneiderhandwerks hochgelobte H&M-Textilmuseum, die berühmte Fassade des Kaufhofschlosses, das für sein Programm mit Preisen überhäufte Saturn-Theater - um nur ein paar aus der unüberschaubaren Fülle an Highlights zu nennen. Dass da Ablenkung von dieser ganzen Pracht droht und die Bewegung auf Bildschirmen auf Ablehnung stößt, leuchtet durchaus ein.

Überhaupt ist Bewegung eine ganz grässliche Vokabel, ja fast ein Jahrhundert-Ungwort. Da wundert es nicht, dass so mancher seinen Blick auch über die Fußgängerzone hinaus richtet und darauf schaut, dass sich ja nicht zu viel rührt in München. Regelmäßig fallen in diesem Zusammenhang Bushäuschen mit ihren krank machenden Wechselbildern negativ auf, und immer lauter wird auch die Kritik an den Filmchen in U-Bahn-Stationen und U-Bahn-Waggons. Gut, dass vor allem Stadtteilpolitiker aus den Bezirksausschüssen die Gefährdung durch Reizüberflutung erkannt haben und immer wieder die Einstellung der Dauerberieselung fordern.

Allein um der Ästhetik Willen ist zu hoffen, dass sie irgendwann damit Erfolg haben. Denn die meisten der Münchner U-Bahn-Züge sind Oldtimer und somit schützenswertes Kulturgut, in dem so ein moderner Flimmerkasten nichts verloren hat; in einen Mercedes aus den Sechzigerjahren baut sich ein echter Liebhaber ja auch keinen Fernseher ein. Insofern hat das Engagement jener Streiter gegen die Verblödung durch Werbung eine Würdigung verdient. Es als Übertreibung zu bezeichnen, wäre nichts anderes als eine böswillige Unterstellung.

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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