Null Acht Neun:Von Stöcken und Sticks

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Der Stiel einer Flagge bringt die Justiz in Rage - was droht da erst noch durch die Selfie-Stecken?

Von Andreas Schubert

Flaggen waren schon immer mehr oder weniger nützliche Dinger. War früher zum Beispiel ein Totenkopf drauf, wussten Schiffsbesatzungen schon von Weitem, jetzt gibt's gleich was mit dem Säbel. Wollte man dann mit der weißen Flagge sagen "Ach Pirat, tu mir doch nix", war das meistens weniger nützlich, da vergebens.

Piraten gibt es in München keine, mal abgesehen vom Fasching und diesem seltsamen Parteilein gleichen Namens. Und wenn es welche gäbe, bräuchten sie auch keine Säbel mehr, ihre Flagge würde völlig ausreichen. Denn heute sind Flaggen Multifunktionsgeräte, mit denen man viel Spaß haben kann, die sich zum Leidwesen der Justiz aber auch als Waffe einsetzen lassen. Da gibt es zum Beispiel die Knüppelflagge, die ein echt scharfes Teil ist, wie man jetzt erfahren hat. Der Stiel ist so gefährlich, dass ein Münchner schon seit einem Monat in Stadelheim eingesperrt ist, weil er so ein Fähnlein bei einer Kundgebung gegen rechts dabei hatte und offenbar keinen Wohnsitz nennen konnte.

Ob nun Geldstrafe, Knast oder Freispruch: Was mit ihm passiert, ist noch offen. Nur gut, dass er die Allgemeinheit nicht auch noch mit einem Selfie-Stick gefährdet hat. Denn diese Teile sind teleskopartig ausfahrbar und so technisch verwandt mit dem Totschläger - so ein Fahnenstangerl ist da nur ein Strohhalm im Vergleich dazu. Schnallt man an den Selfie-Stick dann noch ein Smartphone mit Fünf-Zoll-Bildschirm, kann man es auch als Hellebarde einsetzen und sogar als Lichtschwert. Doppelt perfide ist diese Waffe, weil ihre Nutzer meistens harmlos grinsen, bevor sie knallhart zum Angriff übergehen.

Unverständlicherweise sind die Horrorgeräte aktuell nur in einigen Museen verboten, nicht aber auf der Straße. Kommt man bei schönem Wetter etwa am Marienplatz vorbei, fühlt man sich doch ziemlich bedroht. Und wenn jetzt bald das Oktoberfest anfängt, wird es interessant sein zu sehen, was die Polizei mit all den schwerbewaffneten Amis, Japanern, Italienern und so weiter macht, die auf die Wohnsitz-Frage "Wo san Sie denn her?" nur ratlos dreinblicken. Würde die Staatsmacht genau so gegen diese Selfie-Stick-Armee und das noch viel größere Heer der potenziellen Masskrugmörder und Fruchtspießkiller vorgehen wie gegen den Fähnleinträger aus München, müsste die Zahl der Einsatzkräfte wohl verzehntausendfacht werden.

Man stelle sich das nur vor: Die Wiesn wäre wie leergefegt, dafür würden sie sich in Stadelheim die Hände reiben angesichts all der möglichen neuen Gäste. Denn anders als in der Hotelbranche zur Wiesnzeit und auf dem Wohnungsmarkt das ganze Jahr scheint dort derzeit viel zu viel Platz frei zu sein.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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