Null Acht Neun:Tiefschlag vom Rechtsausleger

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Die Münchner CSU hat ihren Twitter-Account offenbar nicht unter Kontrolle - das sagt viel

Kolumne von Andreas Schubert

Wer in Zeiten, an die sich heute nur noch die Babyboomer erinnern, über gute Reflexe verfügte und eine Portion Wut im Bauch hatte, war im Boxring gut aufgehoben. Hatte man dort seinem Kontrahenten ordentlich die Fresse poliert oder andersherum die eigene poliert bekommen, konnte man hinterher zufrieden daheim seinen Feierabend-Sechsämtertropfen trinken und dann beruhigt einschlafen. Man hatte ja was geleistet. Und vielleicht träumte dann so mancher von einer wunderbaren Karriere wie der von Muhammad Ali, der nicht nur wegen seiner Fäuste gefürchtet war, sondern auch wegen seiner großen Klappe.

Das ist lange her. Wer heute seine Wut loswerden und blöd daherreden will, tut dies zeitgemäß auf Twitter und drischt höchstens auf seine Tastatur ein. Tiefschläge sind dabei die Regel und werden deshalb, anders als im Ring, nicht geahndet.

In der Münchner CSU sitzt aktuell mindestens ein solcher Tiefschläger, vermutlich ein Rechtsausleger. Die oder der Twitternde (man weiß es nicht) gratulierte am Mittwoch jedenfalls sehr reflexhaft, aber wenig reflektiert dem thüringischen Eintagslandesvater Thomas Kemmerich zur Wahl und griff im selben Text die Grünen an, die das Ganze nicht so lustig fanden. Zweieinhalb Stunden später hatte es sich ausgetwittert, der Glückwunsch war gelöscht, alle Wichtigen hatten sich ordnungsgemäß distanziert, mit dem Hinweis, eine nicht autorisierte Person habe den Twitter-Account der CSU genutzt.

Jetzt wird gerätselt, wer denn so alles Zugriff auf besagten Account hat - und wer die ominöse, nicht autorisierte Person war. Eher unwahrscheinlich ist, dass Linksextreme die CSU unterwandert haben, um sie per Twitter in Verruf zu bringen. Niemals hätten sich diese ein schmissiges "ACAB" im Tweet verkneifen können und sich so verraten. Komplett ausgeschlossen ist, dass sich ein Computervirus eines CSU-Handys bemächtigt hat. Führende IT-Experten sind sich einig, dass eine künstliche Intelligenz niemals etwas so Dummes schreiben würde.

Womöglich war es ja jemand, der früher vielleicht gerne Boxer geworden wäre, aber doch lieber sein Smartphone haut, weil man von einem Schlagabtausch auf Twitter kein Nasenbluten bekommt. Die nicht autorisierte Person jedenfalls hat noch bessere Reflexe als Ali gezeigt und seine verbale Watschn an die Grünen so vorschnell verteilt, dass das eigene Hirn gar nicht mehr hinterhergekommen sein kann.

Aber das ist alles Spekulation, als Außenstehender weiß man ja nicht, ob wirklich jeder, der im Namen der CSU München twittert, überhaupt ein Hirn hat.

© SZ vom 08.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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