Null Acht Neun:Mit gebremstem Rasierschaum

Lesezeit: 1 min

Es ist Ausgangssperre und dann sind noch nicht mal mehr Böller von Silvester da. Das Aufregendste an der Freinacht wird ein Spaziergang mit dem Hund werden

Glosse von Andreas Schubert

Die Freinacht war früher für Jugendliche ein guter Termin, um Altes noch irgendwie sinnvoll zu verwerten. Von Silvester übrig gebliebene Böller etwa kamen bevorzugt in Briefkästen zu finalen Ehren, Raketen in Müllcontainern. Und weil auf den Gesichtern der adoleszenten Gaudiburschen meist noch nicht recht viel mehr wucherte als Akne, hatten sie eine Menge Rasierschaum übrig, den sie dann gerne auf Autos oder Schaufenstern verteilten. Dies alles geschah im Schutze der Dunkelheit, irgendwann mitten in der Nacht. Und wer nicht in Flagranti erwischt wurde, schlich sich, ob seines destruktiven Tuns zufrieden und sich auf eine von Mami geschmierte Nutellasemmel freuend, im Morgengrauen wieder nach Hause.

Für Innenminister Joachim Herrmann (CSU) war die Freinacht immer eine gute Gelegenheit, als mahnender Landesonkel aufzutreten (Landesvater wurden jeweils andere) und die Jugend zur Besonnenheit aufzurufen. Briefkästen sprengen und Mülltonnen anzünden, so pflegte sich Bayerns oberster Polizeichef gerne zu wiederholen, gehöre nicht zum Brauchtum. Wie viele Kästen und Tonnen er mit seinen Mahnungen gerettet hat, ist statistisch nicht erfasst. Auch nicht, ob sich dadurch so manch freinächtlicher Übeltäter - ja, es soll auch Übeltäterinnen geben - nicht erst recht für groben Unfug entflammte.

Schon vergangenes Jahr galten Späße nicht als triftiger Grund, sich nachts draußen herumzutreiben, trotzdem meldete die Münchner Polizei 39 Freinachteinsätze - nur einen weniger als im Jahr davor. Wie es heuer wird, da ab 22 Uhr ohnehin flächendeckend Schluss mit lustig ist, wird sich zeigen. Auf jeden Fall hat es Landesonkel Herrmann auch dieses Jahr nicht versäumt, auf die Regeln hinzuweisen. Weil schon das bloße Draußensein verboten ist und eine Stange Bußgeld kostet und weil es im vergangenen Winter überhaupt keine Böller zu kaufen gab, hat er sich den Part mit den gesprengten Briefkästen schenken können. Nur die Ankündigung, dass wieder vermehrt Polizei unterwegs sein werde, fehlte nicht.

Die Beamten werden vermutlich ein besonderes Auge auf Hundebesitzer werfen, die zu den wenigen gehören, die auch nach Zehn noch raus dürfen. Silvesterkracher werden sie bei denen nicht finden. Ob ihre roten Gassibeutel als potenzielle Freinachtswaffe eingestuft werden können, teilt die Polizei aus Gründen der Ermittlungstaktik und des guten Geschmacks lieber nicht mit.

© SZ vom 30.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: