Null Acht Neun:Leberkäs ist auch keine Lösung

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Die neuen Warnungen vor Fleisch stürzen den Familienvater in ein Dilemma: Gelbwurst oder Wiener fürs Kind beim Metzger, geht das noch?

Von Rudolf Neumaier

Jede Metzgereifachverkäuferin, die etwas von ihrem Geschäft versteht, kennt sich mit Kindern genauso gut aus wie mit Schweineschultern. Übrigens auch ihre männlichen Kollegen, die Metzgereifachverkäufer, die in dieser Stadt auffallend schöne Krawatten tragen und damit so kompetent und seriös wirken wie die Fondsberater der Münchner Banken. Kommst du mit einem Kind in die Metzgerei, und sei's nur für den Erwerb von Suppenknochen, fragen sie automatisch: "Und der Kleine? A Raderl Gelbwurst? Oder vielleicht a Wiener?" Fällt die Wahl auf das Raderl, folgt die Spezifizierungsfrage: "Mit oder ohne?" Gemeint ist Petersilie in der Gelbwurst. Bis das Kind die Palette der Give-aways reiflich abgewogen hat und zu einer Entscheidung gelangt ist, dauert ein Ausflug in die Metzgerei gut und gerne viermal so lang, wie der Erwerb von Suppenknochen in Anspruch nehmen würde.

Dennoch ist es ein Jammer, dass dieser Klassiker fleischereilicher Kundenkinderfürsorge nun einen Beigeschmack bekommen hat. Einen ziemlich heiklen sogar. Es war in den letzten Tagen von üblen Folgen des Wurstverzehrs für die Gesundheit zu lesen, von Krebsgefahr. Gelbwurst? Wienerwürstl? Was machst du da als Vater, der sein Kind nicht vergiften will? Du könntest die Würste dankend ablehnen und statt des Raderls um ein Bröckerl Leberkäse bitten, denn von Leberkäse war ja nicht explizit die Rede in den Menetekeln der Weltgesundheitsorganisation. Oder du fragst nach einem Fetzerl roher Rinderhüfte, "weil wissen S', Herr Metzgereifachverkäufer, die Suppenknochen sind auch für den Kleinen, zum Spielen, wir richten ihn gerade als Rottweiler ab". Ein Zipferl Schweinebauch tät's zur Not auch, aber dann Bio!

Klar, auf solche Wünsche reagieren die Frauen und Männer hinter den Metzgertheken derzeit konsterniert, wo sie sonst allein die Vorstellung erheitern würde, dass Jungkunden ihre Milchzähne am blanken Knochen trainieren. Wurstverkaufen ist so beschwerlich geworden wie das Fondsgeschäft. Die Kundschaft pendelt zwischen Hysterie und Desinteresse, zwischen Rinderwahn und Apathie. Ältere Leser werden sich noch an den Gammelfleisch-Skandal erinnern, noch ältere an den BSE-Skandal. Manche Leute hatten Angst, dass sie an einer Weißwurst sterben könnten. Wer ein Scheiberl Salami ohne Herkunftsbezeichnung im Kühlschrank hatte, warf den verdächtigen Kühlschrank auf den Sondermüll. Plötzlich kannte sich jeder mit Rinderseuchen im Allgemeinen und transmissiblen spongiformen Enzephalopathien im Besonderen aus. Der Irrsinn grenzenlos.

Andererseits: Die Haserers in der Nachbarschaft haben für die Herbstferien zum Kindergeburtstag geladen. Die Gäste sind zwischen sechs und elf Jahre alt. Wenn sie wieder Würstlschnappen spielen müssen, rufen wir die Polizei.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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