Null Acht Neun:Kunekune und Königskinder

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Sehr viel schwerer als jemandes Eltern zu sein, ist nur, jemandes Kind zu sein. Oder wer will wirklich mit Oliver Daemen tauschen?

Glosse von Christiane Lutz

Manche denken ja, Eltern hätten es schwer. Auf ihnen laste das ganze Gewicht der Verantwortung, sie jonglieren im harten kapitalistischen Kampf zwischen Familie und Beruf, Work und Life, sie müssen immer was zu Trinken einpacken und mit diesen schwankenden, riesigen Lastenfahrrädern über die Leopoldstraße fahren, während ihre Kinder darin thronen wie kleine Diktatoren. Immerhin gibt es jetzt an vielen Orten Münchens Parkplätze, die explizit für Lastenräder gekennzeichnet sind, sehr zum Leidwesen der Autoparkplatzsuchenden, aber das ist ein anderes Thema. Ganz zu schweigen von den unsäglichen ungefragten Ratschlägen, die Eltern gern von anderen Eltern bekommen.

Gerade so geschehen: Eine Münchner Mutter, schwanger mit Kind 2, musste den Wutanfall von Kind 1 auf offener Straße irgendwie bändigend, während ein älterer Herr ihr zurief, dass sie ja jetzt "wisse, was sie beim zweiten besser machen müsse".

Sehr viel schwerer als jemandes Eltern zu sein, ist nur, jemandes Kind zu sein. Oder wer will wirklich mit Oliver Daemen tauschen, dem 18-Jährigen, der vergangene Woche mit Jeff Bezos ins All flog, einfach nur, weil sein Vater niederländischer Investmentbanker ist und kurz mal dafür bezahlte? Finden das nicht alle deprimierend, der jüngste Mensch im All zu sein und nichts, absolut nichts dafür getan zu haben. Nein, halt, nicht alle: Gloria zum Beispiel hält die Aktion für "einen großen Schritt", schreibt sie auf Instagram. Gloria ist zwar keine Milliardärstochter, aber immerhin die Tochter von Markus Söder und seit Neuestem Profi-Model.

Zum Glück gibt es in Deutschland wenigstens keine Königskinder mehr, auf denen von Geburt an das geifernde Auge des Pöbels lastet. Der britische Prinz George wurde gerade acht - und die Welt fragte nur danach, wann er bitteschön mal seinen royalen Pflichten nachkäme. Also Winken und Grüßen. Wobei Markus Söder sich ja durchaus gern mal als eine Art fränkischer König geriert, in der Logik wäre Gloria dann ... Aber lassen wir das. Man wünscht auch ihr alles Gute, sie hat es wahrlich nicht leicht.

Wie immer zeigt sich von solchen Überlegungen die Tierwelt unbeeindruckt, dort gibt es keine Lastenräder und auch keine Weltraumflüge. Der Tierpark Hellabrunn vermeldete jetzt, dass 2020 so viele Tierbabys wie nie geboren worden seien, 420 nämlich. Außer dem schon berühmten Elefantenbaby Otto habe es Nachwuchs bei den Roten Pandas, den Kunekune-Schweinen und den Schwarzstörchen gegeben. Nun weiß zwar niemand, was ein Kunekune-Schwein ist und wie es sich von anderen Schweinen unterscheidet, aber das sind doch trotzdem gute Nachrichten. Möglicherweise steht der Babyboom 2020 ja im Zusammenhang mit der coronabedingten langen Schließung des Zoos. Also mit der völligen Abwesenheit von Eltern sowie auch Kindern und der damit einhergehenden Ruhe. Das ist aber reine Spekulation.

© SZ vom 24.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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