Null Acht Neun:Im Himmel und auf Erden

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Publicity ist nie verkehrt, auch im Jenseits nicht. Und da hat nicht nur Friedrich von Gärtner gerade allen Grund zu frohlocken

Kolumne von Andreas Schubert

Friedrich von Gärtner freut sich vermutlich irgendwo im Architektenhimmel darüber, dass sein Name 173 Jahre nach seinem Tod immer noch beinahe täglich durch die Münchner Medien geistert. Zwar geht es dabei seltener um seine Baukunst, als viel mehr darum, dass auf dem nach ihm benannten Platz immer wieder heilloses Remmidemmi mit Polizeieinsatz und Pipapo herrscht. Aber er denkt sich vielleicht: " Bad news are good news, Hauptsache man vergisst mich nicht", und lacht sich dann ins Fäustchen, dass sein Konkurrent Leo von Klenze zwar ebenso hübsche Häuschen in die Welt gesetzt hat, aber von ihm dieser Tage deutlich seltener die Rede ist.

Gärtners Platz ist in diesen Corona-Zeiten sogar ein "Hotspot", und ein hot spot, wie man es im Englischen eigentlich schreibt, ist ein Krisenherd - als solchen sehen Politik und Polizei den Ort aktuell. Wie man aber im "Pons Großwörterbuch für Experten und Universität" erfährt, kann hot spot auch für "heißer Schuppen" stehen. Und das ist eher die Ansicht derer, die die Polizei auf den Plan rufen. "Heißer Schuppen? Geil, nimm das, Klenze", frohlockt Gärtner vermutlich - und ist nur ein klein wenig darüber enttäuscht, dass man sich dort nun am Wochenende nachts nicht mehr besaufen darf und es jetzt kalt wird. Da könnte sich das mit dem Hotspot, ergo mit der Publicity, erledigt haben, aber man weiß ja nie, was den jungen Leuten so alles einfällt. Vielleicht ziehen sie sich warm an und entdecken, dass man nüchtern erst recht auf den Putz hauen kann, man wird sehen.

Einer, der in einer anderen Abteilung des Himmels hockt, nämlich in jener der Dichter, ist Jacob Balde. Der lebte im 17. Jahrhundert, hat seit Neuestem auch einen nach ihm benannten medial wirksamen Hotspot und freut sich sicher, dass man gerade wieder ein bisschen an ihn denkt. Denn während selbst der tumbste Baldeplatz-Bierdimpfl wissen dürfte, wer zum Beispiel Goethe war, berauschen sich an Baldes Namen heute eher Germanistik- und Lateinprofessoren, vielleicht noch ein paar Menschen der Gattung "interessierte Laien". Der Rest der Menschheit muss Balde erst einmal kräftig hinterhergoogeln.

Der Baldeplatz liegt übrigens nicht weit vom Goetheplatz entfernt, wo von Hotspot keine Spur und von dem deshalb auch gerade kaum die Rede ist. Ein PR-Sieg für Balde. Man kann sich vorstellen wie er auf seiner Wolke sitzt, zufrieden grinst und dem Dichterfürsten ein hämisches "F... you, Goethe" entgegenhaucht.

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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