Null Acht Neun:Gaudi statt Instagram

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Normalerweise trifft man im Dreimühlenviertel eher bärtige Hipster und Öko-Mamis. Fürs Makassar haben sich manche Gästewie für eine Oscar-Verleihung aufgebrezelt - und eher sich selbst als ihr Abendessen inszeniert

Kolumne von Andreas Schubert

Bis vor kurzem gab es in der Dreimühlenstraße ein Lokal, wo sie einem manchmal aus Gaudi statt der Dessertkarte eine Karte mit Fotos von splitternackten Männern serviert haben. Das mag vielleicht nicht der Höhepunkt des guten Geschmacks gewesen sein. Aber lustig war's allemal und zeigte, dass es im Makassar nicht allzu steif zuging, sieht man von besagten Fotos einmal ab. Wirte und Bedienungen waren jederzeit gut drauf und sorgten auch dafür, dass sich die gute Laune auf die Gäste übertrug. Das ständige Nachfüllen der Weingläser erfolgte dabei so diskret, dass es der Gast gar nicht mitbekam. Spätestens beim Zahlen und erst recht beim Aufstehen merkte man dann, wie perfekt sie im Makassar die Kunst des Abfüllens beherrschten. So perfekt, dass man sich am nächsten Tag kaum mehr ans Essen erinnerte.

Zu behaupten, Letzteres habe dazu beigetragen, dass das Lokal 27 Jahre lang ein Erfolg war, wäre allerdings eine böse Unterstellung. Fest steht: Wie die Küche, die eine kulinarische Zeitreise in die frühen Neunzigerjahre war, wirkten auch manche Gäste, die zuweilen von weit her kamen, wie aus der Zeit gefallen. Aufgebrezelt wie für eine Oscar-Verleihung brachten sie ein wenig Glanz in die heute von bärtigen Hipstern und Öko-Mamis dominierte Gegend. Manchmal sah man aus von silbrigen Herren gelenkten Porsches Damen aussteigen, deren Frisuren so blond strahlten, dass sie jedem Lichtemissionsgrenzwert hohnsprachen, die so spitze Hacken trugen, dass einem das Kopfsteinpflaster leid tat und die so tiefbraun waren, dass man vermutete, sie seien eigens zum Abendessen schnell von der Côte d' Azur hierher zum Stadtviertelfranzosen gejettet, weil's da halt immer noch so schmeckt wie chez Maman. Bei solchen Anblicken fühlte man sich an die bunten Heftchen erinnert, mit denen sich die Tante in den Achtzigerjahren immer über die ferne Welt der Schönen und Reichen auf dem Laufenden hielt. Wer als Kind auch mal ein bisschen blättern durfte, träumte anschließend davon, auch irgendwann mal so schön braun aus einem so schönen Auto zu steigen.

Mit der Bräune und dem Auto hat es zwar nicht so geklappt, trotzdem haben sie einen ins Makassar hinein gelassen. Jeder Gast wurde wie ein guter Freund behandelt, nicht nur die A-, B- oder C-Promis, die es gelegentlich hierher verschlug. Und so wird das Lokal in Erinnerung bleiben als eine feste Bank, die an eine Ausgehkultur erinnerte, die es weitgehend so nicht mehr gibt. Als man sich eher selbst inszenierte als sein Abendessen bei Instagram. Und als man eine ungezwungene Gaudi hatte, ohne in Ehrfurcht vor der Küchenkunst eines Sternemeisters erstarrt und stumm seine zwölf Gänge hinter sich zu bringen.

In seiner letzten Woche waren noch mal alle ins Makassar gekommen, um sich gebührend zu verabschieden. Noch immer hängt das Schild "Wegen Überfüllung geschlossen" neben der Tür. Einen Teil der Einrichtung haben die Wirte auf dem Flohmarkt verkauft. Was aus dem Männer-Menü geworden ist, ist dabei nicht überliefert. Es dürfte sehr schnell weg gewesen sein.

© SZ vom 08.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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