Null Acht Neun:Entspannt in den Hundehaufen

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Der Wahlkampf geht in die heiße Phase, die Parteien übertrumpfen sich mit klangvollen Sprüchen. Der Oberbürgermeister Dieter Reiter aber schreitet lieber mit einer klugen Schmutzkampagne voran

Kolumne von Andreas Schubert

Kann sich noch jemand an den Wahlkampf vor sechs Jahren erinnern? Damals zog ein noch weitgehend unbekannter Wirtschaftsreferent namens Dieter Reiter für die SPD in die Schlacht um den Posten des Oberbürgermeisters, sein Motto lautete "Damit München München bleibt". Die Rechnung ging bekanntlich auf, Reiter hat mit unermüdlichem Einsatz seines bairischen Idioms gerade noch verhindert, dass München zur Bronx oder - noch schlimmer - zu Berlin mutieren konnte. Und heute ist der OB der bekannteste und einer der beliebtesten Politiker der Stadt, während seine beiden Herausforderinnen Kristina Frank von der CSU und Katrin Habenschaden von den Grünen vor allem bei all jenen, die sie kennen, ziemlich beliebt sind. Bei allen, die sie kennen wohlgemerkt - und das ist aktuell noch deren Problem. Noch rangieren sie auf der Bekanntheitsskala eher unter Kristina Wer und Katrin Wiebitte. Reiter hingegen ist halt der Reiter, sogar bei der wachsenden Anzahl derjenigen, denen beim Stichwort SPD heute auch nicht viel mehr einfällt als Wer und Wiebitte.

Jetzt, da der Wahlkampf in die heiße Phase geht, wird es für alle Parteien wieder vor allem darum gehen, die Popularität ihrer Kandidaten zu steigern und die Wähler dabei bloß nicht mit allzu komplizierten Sprüchen zur überfordern. Die Grünen zum Beispiel halten es mit Botschaften wie "Für U-Bahn-Bau statt Dauerstau" oder "Für Radl-Lust statt Auto-Frust" und so weiter. Das könnte auch der Pumuckl gereimt haben, aber immerhin kann sich unter U-Bahn und Radl jeder (vielleicht bis auf die Bayernpartei) etwas vorstellen. Die CSU hingegen ist der Ansicht, dass Reiter sein altes Wahlversprechen nicht gehalten hat. Sie postuliert deshalb "Wieder München werden" und "Wieder leuchten können". Was auch immer das bedeuten mag: Es klingt zumindest einleuchtend und auch ohne Reim irgendwie münchnerisch.

Der Fairness halber sei hier erwähnt, dass auch die anderen Parteien im Stadtrat eigene OB-Kandidaten ins Rennen schicken, wer sich am 15. März etwas Zeit nimmt, wird sie auf dem Wahlzettel schon finden. Und Reiter? Den ficht das Sprücheklopfen der anderen offenbar nicht an. In seinem neuesten Instagram-Video tippelt er entspannt durch die Stadt und tritt ganz nebenbei in einen Hundehaufen, was er lächelnd wegsteckt. Eine kluge Schmutzkampagne: Die Hundebesitzer der Stadt dürfte er damit schon mal auf seiner Seite haben.

© SZ vom 04.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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