Neuried:Verlockendes Kaufangebot

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Trotz weit fortgeschrittener Planungen erteilt der Gemeinderat einem Rathaus-Neubau in der Ortsmitte eine jähe Absage. Stattdessen soll das Provisorium am Hainbuchenring der Verwaltung dauerhaft als Bleibe dienen

Von Annette Jäger, Neuried

In einer überraschenden Kehrtwende hat der Neurieder Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit dem Bau eines Rathauses in der Ortsmitte eine Absage erteilt. Obwohl erst Ende Januar das Preisgericht des Architektenwettbewerbs einen Siegerentwurf für den Neubau gekürt hat, wird das Vorhaben nun beerdigt. Stattdessen will die Gemeinde das derzeitige Interims-Rathausgebäude im Gewerbegebiet kaufen. Diese Option hat sich laut Bürgermeister Harald Zipfel (SPD) erst aktuell ergeben.

Seit vielen Jahren verfolgt der Neurieder Gemeinderat das Projekt eines Rathaus-Neubaus in der Ortsmitte. Mehrfach wurden in der Vergangenheit Raumprogramme erstellt, eine Bürgerbeteiligung fand statt, seit 2016 gibt es einen Grundsatzbeschluss dazu. Ende März vergangenen Jahres wurden dann die Weichen gestellt für einen Architektenwettbewerb, bei dem zugleich auch Ideen für die weitere Gestaltung des Areals zwischen Planegger Straße, Münchner Straße und Haderner Winkel entwickelt werden sollten. Nie war ein neues Rathaus in Neuried greifbarer als bis zur Sitzung des Neurieder Gemeinderats am Dienstagabend in der Mehrzweckhalle.

Dort brachten überraschenderweise die Fraktionen von SPD, Grünen, Bündnis Zukunft Neuried (BZN) und FDP in großer Einigkeit Argumente hervor, die gegen einen Rathausbau im Zentrum sprachen. Vor allem sprachen die Gemeinderäte einem neuen Rathaus ab, dass es zur allseits gewünschten Belebung der Ortsmitte beitragen könne. "Ich brauche an einem lauen Sommerabend kein Rathaus, sondern eher einen Brunnen und ein gastronomisches Angebot", sagte Tobias Kuner (BZN). Auch Luis Sanktjohanser (FDP) betonte, dass ein Rathaus primär ein Verwaltungsgebäude sei und keine Begegnungsstätte.

Bürgermeister Zipfel brachte den Zeitdruck in die Argumentation ein. Der Mietvertrag am Hainbuchenring, in dem Teile der Verwaltung übergangsweise untergebracht sind, laufe inklusive Verlängerungsoption Ende 2024 aus. Er bezweifelte, dass in dieser Zeit der Rathaus-Neubau fertig wäre. Zudem befürchtete er höhere Baukosten: Das Rathaus war im Wettbewerb mit 11,5 Millionen Euro angesetzt worden. Für diesen Preis sei der ohnehin zu groß dimensionierte Siegerentwurf aber nicht zu realisieren, meinte er. Diese schmerzliche Erfahrung macht die Gemeinde gerade bei der Grundschule, die statt geplanter 7,7 Millionen nun 9,6 Millionen Euro kosten wird. Zudem würden künftig wachsende Schülerzahlen und ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung eine Erweiterung nötig machen - möglicherweise benötige man dafür auch Platz in der Ortsmitte.

Nur einer wunderte sich in der Sitzung, warum diese Argumente nicht schon früher ins Feld geführt worden seien: Florian Forster (CSU) fragte, warum man ein Rathaus überhaupt jemals in der Ortsmitte habe ansiedeln wollen. Der Architektenwettbewerb sei schließlich aufwändig gewesen und habe viel Geld gekostet. Zipfels Antwort war knapp: Vorher habe es kein alternatives Grundstück gegeben.

Genauer wurde er nicht in der öffentlichen Sitzung. Denn die Diskussion über einen Alternativstandort für ein Rathaus stand auf der Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung, die im Anschluss stattfand. Noch am Dienstagabend verriet die CSU jedoch ohne Rücksprache mit dem Bürgermeister auf Instagram, dass die derzeit angemietete Immobilie am Hainbuchenring gekauft werden soll. Da war der Bau in der Ortsmitte schon gegen die sechs Stimmen der CSU abgelehnt worden.

Der Kauf der Immobilie am Hainbuchenring hat sich wohl parallel zum Architektenwettbewerb angebahnt. Ende März 2020 war der Wettbewerb beschlossen worden, noch im Januar hatte der Bürgermeister die Eigentümer am Hainbuchenring gefragt, ob sie das Gebäude veräußern würden, sagte Zipfel. Damals habe er keine Antwort erhalten. Erst vor den Sommerferien kam ein entsprechendes Signal. Konkreter wurde es dann im Herbst, als es bereits um den Kaufpreis ging. Ende des Jahres dann wurde dem Gemeinderat ein Wertgutachten für das Grundstück vorgelegt. Inzwischen seien die Verhandlungen "sehr weit gediehen", sagte Zipfel. Es habe jetzt eine verlässliche Aussage des Gemeinderats gegenüber dem Eigentümer gebraucht. Die Gemeinde möchte das gesamte Gebäude samt Grundstück kaufen und darin die komplette Verwaltung unterbringen. "Das ist ein Mehrwert für die Gemeinde von 2500 Quadratmetern", sagte Zipfel auf Anfrage. Die Kosten seien nicht zwingend günstiger als ein Rathausneubau, aber kalkulierbarer. Offen bleibt, was auf dem Areal in der Ortsmitte geschehen soll. Zipfel brachte in der Sitzung die Idee eines Bürgerzentrums ins Spiel.

© SZ vom 25.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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