Neuried:Hauen und Stechen wie bei Asterix

Lesezeit: 3 min

Es ist eine Hommage an die Gemeinde und ihre Politik, die laufend Steilvorlagen für Satire liefert: Zur Feier des 825-jährigen Bestehens von Neuried nimmt ein Theaterstück von Michael Schiffers die Kommune und viele bekannte Persönlichkeiten gehörig auf die Schippe

Von Annette Jäger, Neuried

Die Gemeinde Neuried ist klamm, die Gemeindekassen sind leer und bei der Bürgerversammlung, die in der Ruine der Mehrzweckhalle stattfindet, debattieren erhitzte Gemüter Lösungen, wie sich die Kommune finanziell wieder aufpäppeln lässt. Klingt nach einer vertrauten Szenerie. Doch diesmal bilden die bekannten Fakten die Eckpunkte, zwischen denen sich ein zweistündiges Theaterstück aufspannt. Die Neurieder Pfarrbühne leistet sich zur Feier des 825-jährigen Bestehens der Gemeinde eine satirische Hommage an ihr Dorf, Titel: "Geht Neuried baden?" Verfasst hat das Stück der Leiter der Laientheatertruppe, Michael Schiffers. Das Schreiben ging ihm locker von der Hand, schließlich liefert die Neurieder Kommunalpolitik Woche für Woche Steilvorlagen für Satire und Ironie.

Viel darf nicht verraten werden über die Inhalte des Stücks. Da nimmt es Schiffers sehr genau. Nur so viel: das Bühnenbild des dritten Aktes lässt ahnen, dass die Mehrzweckhalle eine Rolle spielt. Das ist auch wenig überraschend, schließlich ist die Halle, die einst geschlossen, dann abgerissen und neugebaut und wieder geschlossen wurde, ein "Running Gag" in der Gemeinde, sagt Schiffers. Wer so nah an der Tagespolitik Theater inszeniert, muss in Kauf nehmen, dass die Realität die Satire auch mal überholt. Bei der Mehrzweckhalle ist genau das geschehen, sagt Schiffers, ein wenig Ärger darüber ist ihm anzumerken. Die ewig geschlossene Halle ist jetzt keine Ruine mehr, sie soll noch vor der Premiere wiedereröffnet werden.

Eine Szene von den Proben zum Stück "Geht Neuried baden?" (Foto: Robert Haas)

Schiffers trug die Idee, das "liebens- und lebenswerte Kaff" aufs Korn zu nehmen, schon länger mit sich herum. Dann stand die 825-Jahr-Feier an und endlich war damit ein Anlass gegeben, den Bleistift zu spitzen. Er ging auf Recherchetour, fragte alteingesessene Neurieder nach Anekdoten, bekannten Personen und einschneidenden Ereignissen, interviewte Neubürger nach ihren Eindrücken und Erfahrungen, kontaktierte den Archivar Reinhard Lampe, sprach mit dem Experten in Sachen Dorfgeschichte, Heinrich Mayer - und hatte schnell genug Stoff zusammen, um ein zweistündiges Stück daraus zu konzipieren. "Ich könnte auch noch ein Reloaded schreiben", sagt er, gemeint ist eine Fortsetzungsgeschichte.

Eines wollte Schiffers jedoch nicht: mit dem Stück Gefühle der Dorfbewohner oder der Kommunalpolitiker verletzten oder Zwist in Gang setzen. Geschickt verlegte er deshalb das Stück in die Zukunft und lässt unter anderem einen Finanzberater, einen TV-Reporter, die Kämmerin, den Bürgermeister und den Buchhalter ausfechten, wie man Neurieds finanzielle Abwärtsspirale aufhalten kann. "Wie bei Asterix gibt es zwei Lager", sagt Schiffers: Es gibt ein Hauen und Stechen untereinander; aber wenn der Feind vor der Tür steht, halten alle zusammen. Wer Neuried kennt, wird über Wortspiele schmunzeln, Anklänge an bekannte Ereignisse wahrnehmen und diverse Neurieder Persönlichkeiten wiedererkennen können.

"Ich könnte auch noch ein Reloaded schreiben", sagt Michael Schiffers, der Leiter der Laientheatertruppe. (Foto: Robert Haas)

Auf der Bühne wird was los sein, nicht nur inhaltlich. Die Schauspieler sind erstmals mit Mikrofonen ausgestattet und es wird live Musik gemacht und gesungen. Dieter Kanzleiter, Dirigent der Neurieder Blasmusikanten, hat eigens für das Stück Arrangements geschrieben. Die altbekannte Ratschkathl wird die Zuschauer mit ihrem Enkel in den Umbaupausen zwischen den Akten unterhalten. Das elfköpfige Schauspielensemble probt seit Mai, seit Juli sogar zweimal pro Woche. Die größte Herausforderung ist es, alles unter einen Hut zu bringen, sagt Schiffers. Denn die Laienschauspieltruppe muss sich im Multitasking beweisen: gemeinsame Termine zum Proben finden, das Bühnenbild gestalten, Kostüme kreieren, Plakate aufhängen, Stühle aufstellen. Hilfe gibt es von der Pfarrjugend, die die Technik unter Kontrolle hat und sich an den Theaterabenden um die Bewirtung kümmert.

Zwei Durchläufe des dritten Aktes kündigt Schiffers seinem Ensemble für den Probenabend an. Der Regisseur muss sich in Geduld üben, mal verpasst ein Darsteller seinen Einsatz, mal fehlt einer auf der Bühne. Den Darstellern geht hier und da der Text flöten, der Regisseur stöhnt, die Schauspieler fluchen, aber trotzdem sieht es nach einem Riesenspaß für alle Beteiligten aus. "Wir sind auf der Zielgeraden, ich freue mich jetzt drauf, es reicht jetzt", sagte Schiffers zu Beginn der Probe zu seinem Ensemble. Das Stück muss auf die Bühne. Nun müssen nur noch die Zuschauer strömen, sieben Theaterabende sind geplant, Schiffers rechnet mit bis zu 700 Besuchern. Die Zuschauer haben nur eine Aufgabe: sich gut unterhalten zu lassen und immer schön Realität von Satire unterscheiden.

Aufführungen freitags, 8., 15. und 22. November, samstags, 9., 16., und 22. November sowie sonntags, 10. und 17. November, jeweils um 20 Uhr, am Sonntag, 10. November, um 16 Uhr, Sonntag, 17. November um 18 Uhr im Pfarrsaal St. Nikolaus, Maxhofweg 7. Die Karten kosten zwölf Euro, bis 16 Jahre acht Euro, erhältlich nach den Gottesdiensten und bei Schreibwaren Stucken, Gautinger Straße 2. Einlass ist eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.

© SZ vom 05.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: