Neuried:Auf eigene Faust

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Die kurz vor der Gründung stehende Genossenschaft "Raumneuried" will mit dem Bau von Wohnungen die angespannte Situation entschärfen. Die CSU lehnt im Gemeinderat das Projekt ab

Von Julian Raff, Neuried

Wohnungsnot und Mietwucher machen längst nicht mehr an den Stadtgrenzen halt, Gegenstrategien sind auch im Landkreis gefordert. Eine zehnköpfige Gruppe von Neuriedern ergreift nun die Initiative und plant die Gründung einer Wohnbaugenossenschaft; bei zwei Informationsveranstaltungen haben sich bereits 120 Mitbürger als potenzielle Mitglieder gemeldet. Reges Interesse bezeugten 50 Unterstützer auch im Gemeinderat, in dem Eberhard Krüger und Gundula Pabst das "Raumneuried" betitelte Projekt vorstellten.

Bereits bei der Präsentation zeichnete sich ab, dass die Christsozialen dem Vorhaben eher reserviert gegenüberstehen. Michael Zimmermann (CSU) hätte Referenten und Publikum am liebsten unverrichteter Dinge heimgeschickt. Die Fraktionen, so Zimmermann, seien ja bereits im Bilde, der Vortrag also Zeitverschwendung. Die Bürger reagierten teils ungehalten, besonders jene, die sich bei früheren Sitzungen davon überzeugen konnten, dass sich der Neurieder Gemeinderat üblicherweise auch bei vorberatenen Themen die gebotene Zeit nimmt. Skeptisch hätten sich die CSU und die freie Wählergruppe BZN bereits in den nichtöffentlichen Vorgesprächen geäußert, so Krüger. Überzeugende Wirkung erhoffte er sich von einem noch einmal vertieft ausgearbeiteten, straff vorgetragenen Konzept: Sinn und Notwendigkeit einer Genossenschaft lägen auf der Hand. Nicht umsonst habe Landrat Christoph Göbel (CSU) während der Bürgerversammlung in Neuried darauf hingewiesen, dass sich mittlerweile selbst Gutverdiener auf dem Wohnungsmarkt schwer tun.

Vorbilder für gelungenen Wohnungsbau in Neuried: der Geschosswohnungen am Haderner Winkel gehört dazu. (Foto: Florian Peljak)

Die Raumnot im Würmtal gefährdet laut Göbel längst sowohl die lokale Wirtschaft als auch Vereinsleben, Ehrenamt und die Integration ins Gemeindeleben. Nach den größeren Siedlungen der Siebzigerjahre seien seit den Neunzigerjahren fast ausschließlich Reihenhäuser entstanden. Somit habe sich die "soziale Durchmischung einseitig verschoben"; Mieter hätten das Nachsehen.

In welcher Größenordnung die Genossenschaft Abhilfe schaffen will, wird von verfügbaren Grundstück abhängen. Der Nachfrage halber könnte man wohl auch 60 oder gar 100 Wohnungen bauen, so Krüger. Realistischerweise rechnen er und seine Co-Initiatoren aber eher mit 30 bis 40 Einheiten. Als Baugrund kämen ein Teil des Hettlage-Geländes, die Wiese am südlichen Maxhofweg oder die Dorfmitte in Frage. Bei letzterer bedarf es aber erst noch besonderer Überzeugungsarbeit, schließlich will die Gemeinde aus den dortigen Verkaufserlösen unter anderem den Neubau des Rathauses und die Schulsanierung finanzieren.

"Wir wollen nichts geschenkt", warb Krüger für das aus seiner Sicht wirtschaftliche Konzept: Der Ertrag für das nordöstlich des Rathauses gelegene Grundstück hängt nach den Berechnungen einer kommunalen Arbeitsgruppe vom Mix aus Wohnen, Handel-, Büro und Praxisflächen ab. Eine 100-prozentige Wohnnutzung mit 11 400 Quadratmetern Geschossfläche brächte demnach an die 23 Millionen Euro, ein Wohnanteil von 57 Prozent noch knapp 16 Millionen. Würde die Gemeinde durch Aufstockung um ein Geschoss die Fläche auf 12 300 Quadratmeter erhöhen und davon 8700 Quadratmeter, also 70 Prozent als Wohnraum ausweisen und hiervon 2900 Quadratmeter an die Genossenschaft verkaufen, käme sie mit 15,36 Millionen Euro immer noch auf einen guten Mittelwert.

Die Reihenhäuser am Taxetweg gehören zum Stadtbild von Neuried - die Wohnungsnot spürt man jedoch auch dort. (Foto: Florian Peljak)

Möglich wäre dies trotz des Vorzugspreises von 800 Euro pro Quadratmeter an Stelle der auf dem freien Markt erzielbaren 2000 Euro. Am Beispiel des südlichen Maxhofweges rechnete Krüger vor, wie Mieter von einer Kombination aus genossenschaftlichem Erwerb und öffentlicher Förderung profitieren könnten: Ein freier Investor müsste bei einem Quadratmeterpreis von 1200 Euro 18 Euro Miete pro Quadratmeter verlangen, um nach fünf Jahren Gewinn zu machen. Die Genossenschaft käme mit längerem Atem und einem Kaufpreis von 700 Euro pro Quadratmeter auf eine Miete von 11,90 Euro. Im Rahmen der "Einkommensorientierten Förderung" (EOF) ließe sich der Mietzins auf sechs bis acht Euro reduzieren.

In den Genuss günstiger Genossenschaftswohnungen könnten nach derzeitiger Planung sowohl Gemeindebürger als auch Mitarbeiter von Neurieder Betrieben kommen. Krüger rechnet nicht mit schnellen Erfolgen, vielleicht werde man erst in vier Jahren bauen können. Die nächsten Schritte: Am 8. Mai findet die Gründungsversammlung statt, im Juli soll die Genossenschaft offiziell eingetragen sein.

© SZ vom 05.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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