Neuhausen:Putzen aus Protest

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Mit Lappen und Schwamm gehen knapp 50 Münchner gegen den geplanten Abbau der Stelen auf dem Platz der Freiheit vor

Von Johannes Korsche, Neuhausen

Theodoline Hoffmann ist extra aus Obermenzing zum Platz der Freiheit gekommen. Das erzählt sie - den gelben Putzlappen in der rechten Hand - während sich im Hintergrund Autofahrer auf dem Mittleren Ring ungeduldig hupend drängen. Sie putzt die von den Abgasen eingefärbte Stele, die an den Widerstandskämpfer Karl Schörghofer erinnert. Schörghofer versteckte in einem Keller jüdische Verfolgte und ließ sich selbst von einer Festnahme nicht davon abbringen. Hoffmann ist eine von knapp 50 Münchnern, die dem Ruf des Künstlers Wolfram P. Kastner gefolgt sind und sich an diesem Donnerstagvormittag mit Putzzeug getroffen haben. Sie protestieren damit gegen den Abbau, der den 13 Erinnerungsstelen droht. Denn laut Stadtratsbeschluss müssten sie Ende Oktober einer neuen temporären Kunstinstallation weichen. Dieser Termin könnte allerdings auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das Kulturreferat will dem Stadtrat nun vorschlagen, die Stelen zumindest so lange stehen zu lassen, bis ein Nachfolgeprojekt gefunden ist, sagt Jenny Becker vom Kulturreferat. Ein neues Projekt gibt es bisher nicht.

Schörghofers Stele ist eine von dreizehn, die mitten in Neuhausen an Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten erinnern. Im Juli 2016 hatten Kastner und seine Unterstützer sie aufgestellt, seitdem begegnen die Porträts und Lebensläufe den Passanten "auf Augenhöhe im öffentlichen Raum", sagt Kastner. Auf diese Weise werde aus der Erinnerung an den Widerstand von damals ein Auftrag, die Demokratie auch heute zu verteidigen. Dass diese Botschaft nun gegen andere Kunstprojekte auf dem Platz ausgespielt werden solle, kann er nicht verstehen. "Da ist doch noch so viel Platz", sagt er, breitet die Arme aus und meint damit übrigen Rasen auf dem Platz. Mehr als 500 Unterschriften habe er inzwischen dafür gesammelt. Mit Blick auf die Stadtverwaltung sei er "gemäßigter Optimist", der "Menschen immer für lernfähig" halte.

Dass das Kulturreferat nun erst einmal abwarten will, bis ein Nachfolgeprojekt gefunden ist, ist ein Teilerfolg für den Münchner Künstler. Eine fortlaufende Verlängerung des Erinnerungsortes würde ihn überhaupt nicht stören. Im Gegenteil, dadurch werde das Thema regelmäßig diskutiert. Und genau das will Kastner ja erreichen. Den Widerstand ins Heute zu holen. Und wo ginge das besser, so die Argumentation Kastners, als auf einem Platz, der bis 1946 Paul von Hindenburg und heute der Freiheit gewidmet ist. Deswegen gibt er sich kämpferisch: "Wir werden die Stelen auf keinen Fall abbauen." Sollte es einmal trotzdem so weit sein, kündigt er an, "das Licht der Öffentlichkeit" darauf zu lenken. Zu wichtig sei die Botschaft der Stelen.

Das sieht auch Theodoline Hoffmann so. Sie habe immer fasziniert, wie diese wenigen Widerstandskämpfer so stark geblieben sind, allein durch den "Wunsch nach Menschlichkeit", wie sie sagt. Als die Stele von Karl Schörghofer wieder weiß strahlt, macht sie sich auf zur nächsten. "Diese Menschen sind Vorbilder", sagt sie. Auch heute noch.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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