Neuhausen:Offenheit statt Polemik und Pöbeleien

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Bürger distanzieren sich von Flugblatt, das gegen eine Flüchtlingsunterkunft an der Hanebergstraße agitiert

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

86 männliche Flüchtlinge werden im April in ein Telekom-Gebäude an der Hanebergstraße, Ecke Landshuter Allee einziehen, laut Sozialreferentin Brigitte Meier für 18 Monate - mit Verlängerungsoption auf drei Jahre. Bislang leben in Neuhausen-Nymphenburg, dem zweitgrößten Stadtbezirk, nur rund 80 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, eher abgelegen im Kreativquartier an der Schwere-Reiter-Straße. Zur Gemeinschaftsunterkunft an der Hanebergstraße, über die das Sozialreferat am Donnerstagabend die Anwohner informierte, werden aber voraussichtlich noch heuer weitere im Viertel kommen: an der Emma-Ihrer-Straße sowie an der Wotanstraße.

Tage zuvor waren Zettel in der Nachbarschaft aufgetaucht, in denen "besorgte und vorausschauende Bürger" anonym vor "massiven kriminellen Risiken" für ein "bisher schönes und sicheres" Stadtviertel warnten und zum Protest gegen das neue "Asylantenlager" aufriefen, um "den Wohlstand und unsere Rechte als Deutsche" zu verteidigen. Der Flüchtlingshelfer-Verein Münchner Freiwillige und andere reagierten prompt mit Appellen an Bürger, die Veranstaltung nicht "von intoleranten und rechten Menschen kapern zu lassen". Die von mehr als 300 Menschen besuchte Veranstaltung verlief dann - entgegen mancher Befürchtung - strukturiert, weitgehend sachlich und frei von Polemik oder gar Pöbeleien. Fragen mussten schriftlich gestellt werden und wurden zu Themen gebündelt beantwortet.

Neben konkreten Ängsten vor Belästigungen von Frauen kam wiederkehrend die Frage nach "der Sicherheit". Fünf Security-Leute werden rund um die Uhr in dem Heim anwesend sein, es gebe eine Hausleitung und eine Hausordnung, auf deren Einhaltung man pochen werde, versicherten Julian Grabosch und Karsten Leicher. Die beiden sind laut Brigitte Meier langjährige Partner des Sozialreferats bei der Unterbringung von Wohnungslosen; sie werden die Unterkunft betreiben. Selbstverständlich sei auch die Polizei jederzeit ansprechbar und abrufbar, erklärte Ulrich Rothdauscher, Leiter der Neuhauser Inspektion. Diese ist auch für einen Teil der Maxvorstadt und damit für eine Unterkunft in der Karlstraße zuständig, in der 800 Flüchtlinge leben, 60 Prozent davon Männer. "Aus polizeilicher Sicht gibt es dort keinerlei Problem, und wir werden auch hier, mit unter 100 Flüchtlingen, keines bekommen", sagte Rothdauscher. Eltern oder Personal in Kindertagesstätten bot eine Vertreterin des Bildungsreferates bei Bedarf Gespräche an.

Viele Fragen drehten sich jedoch auch darum, ob Aktivitäten für die Flüchtlinge geplant seien - etwa Fußball auf dem Gelände der FT Gern gleich gegenüber der Unterkunft - und wie man sich in der Betreuung engagieren könne. Jede von ihnen wurde heftig beklatscht. Viele Menschen, das wurde in Gesprächen vor und nach der Veranstaltung deutlich, waren an diesem Abend nicht aus Verunsicherung oder Besorgtheit gekommen, sondern aus Bestürzung über das hetzerische Flugblatt - und, um dagegen zu halten. "Unsicherheit", gab auch Inspektionschef Rothdauscher zu bedenken, "führt zu Missmut und zu einem Unwohl-Gefühl", das setze eine Spirale in Gang, aus der man schwer wieder aussteigen könne.

"Gegenseitige Offenheit" und "Dialog", immer wieder wurde deren Bedeutung auf dem Podium betont. Deshalb soll es möglichst bald nach dem Einzug der Flüchtlinge einen Tag der offenen Tür an der Hanebergstraße 2 geben, bei dem Neuankömmlinge und Neuhauser sich kennenlernen können.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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