Neuhausen/Nymphenburg:Genug Geld, zu wenige Ideen

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Die Hoffnung, dass sich mit dem deutlich erhöhten Stadtbezirksbudget auch Bürgerbeteiligung und Vielfalt der Projekte auf eine breitere Basis stellen lassen, erfüllt sich in Neuhausen-Nymphenburg bislang eher nicht

Von Sonja Niesmann, Neuhausen/Nymphenburg

Rund 250 000 Euro jährlich hat Neuhausen-Nymphenburg, Münchens zweitgrößter Stadtbezirk mit knapp 100 000 Einwohnern, seit der Erhöhung des Budgets für Bezirksausschüsse zur Verfügung. Mit der im Sommer 2018 beschlossenen Budgetaufstockung wollte der Stadtrat jeder Einwohnerin, jedem Einwohner mehr Mitbestimmung darüber geben, was im Viertel wünschenswert wäre an Anschaffungen, Projekten, Verbesserung der Lebensqualität. Der erste Eindruck im Bezirksausschuss (BA) Neuhausen nach einem Dreivierteljahr mit vier Mal so hohem Budget wie zuvor: Es sind weniger viele einzelne Bürger, die die Gelegenheit beim Schopf packen, sondern Initiativen oder Vereine, viele von ihnen wurden bisher schon vom BA unterstützt. Und zugenommen hat nicht so sehr die inhaltliche Bandbreite der Anträge, sondern die Höhe der jeweils beantragten Zuschüsse. Allein im April hatte das Neuhauser Gremium Anträge über 63 000 Euro auf der Tagesordnung.

Der dickste Brocken, 12 215 Euro, kam vom Verein Kunstzentrat, der das Import/Export im Kreativquartier betreibt. Er möchte von Mai bis Jahresende dort ein handwerklich-kreatives Workshopangebot für Kinder und Jugendliche schaffen, insgesamt 41 Veranstaltungen. Ein gutes Projekt, daran zweifelte der BA nicht - die Zuschuss-Summe aber kam manchem Mitglied geradezu exorbitant vor. Nach längerem Hin und Her verständigte sich das Gremium auf 8000 Euro. Schwer zu schlucken war auch ein Antrag des Förderkreises Biotopia, der den Ausbau des Museums Mensch und Natur in Schloss Nymphenburg zu einem großen neuen Naturkundemuseum unterstützt: 10 000 Euro Zuschuss für das Festival "Eat - Wie schmeckt die Zukunft?" am 26. Mai. Die Veranstaltung dreht sich darum, wie Ernährungsweisen die Gesundheit und die Umwelt beeinflussen und verändern. "Eine wichtige Sache", befand Daniela Thiele (Grüne), sie plädierte deshalb wenigstens für 5000 Euro, ebenso wie Willi Wermelt (SPD) - wenn auch "in diesem Förderkreis Damen und Herren sitzen, deren Schatullen voller sind als unsere", merkte er spitz an. Für 3000 Euro fand sich schließlich, mühsam, eine Mehrheit.

5600 Euro Zuschuss beantragt hat die Freie Bühne München. Die nach eigenen Angaben erste inklusive Bühne der Stadt macht im Kult 9 im Löhe-Haus Theaterarbeit auch mit Menschen mit Down-Syndrom und will dies nun um Filmarbeit erweitern. Bei der Vorberatung war die Summe auf 2200 Euro gekürzt worden, wegen der hohen Stundensätze für die Workshopleiter und des eigentlich vorgesehenen und hier fehlenden Eigenanteils. Vor allem die SPD aber nannte es unsäglich, an einer "so wichtigen Sache wie Inklusion zu knausern" (Otmar Petz). Letztlich also: volle Summe.

Anderes war weniger umstritten und wurde in beantragter Höhe bewilligt, wenn auch nicht immer einstimmig: 4000 Euro für den Verein Spielen in der Stadt, der dafür wieder sein Artmobil, das Baumobil und den Zirkus Pumpernudl ins Viertel schickt. 7500 Euro für Renovierungsmaßnahmen in der neuen Spielstätte des Pathos-Theaters im Kreativquartier. 2850 Euro fürs Bluesfest am Rotkreuzplatz im August. Rund 2000 Euro für eine mobile Kreativwerkstatt des Vereins Kulturraum München. Knapp 1900 Euro für die Maifeier des Vereins der Freunde Neuhausen. 4100 Euro für einen Verkehrshelferübergang an der Montessori-Schule im Olympiapark, der die Schüler, wie es hieß, vor "rasenden Radlern" am Willi-Gebhardt-Ufer schützen soll. Und knapp 4500 Euro für die 125-Jahr-Feier des TSV Neuhausen-Nymphenburg, weil nicht nur dessen Kinder- und Jugendarbeit wichtig sei, sondern "auch Senioren dort für neun Euro monatlich sporteln können", lobte Doris Wertmüller (Grüne).

46 800 Euro hat das Gremium am Ende dieser erst vierten Sitzung des Jahres bewilligt, fast ein Fünftel des Gesamtetats (allerdings sind aus dem Vorjahr noch 100 000 Euro übrig). Und mal war es die eine, mal eine andere Fraktion, die auf die Bremse treten wollte. Statt manchmal "Bauchentscheidungen" zu treffen, müsse sich der BA intensiv Gedanken machen, wie er mit dem neuen Budget umgehen will, findet Leo Agerer (CSU), der den Unterausschuss Kultur leitet, in dem ein erheblicher Teil der Zuschussanträge aufläuft. Ob man zum Beispiel mehr "Investitionen mit langfristigem Nutzen als flüchtige Projekte" unterstützen solle. Ob der Bezirksausschuss nicht nur auf Anträge reagieren soll, sondern auch aus eigener Initiative etwas anstößt.

Der inzwischen von der Stadtverwaltung nachgereichte Leitfaden für das neue Stadtbezirksbudget sieht explizit auch die "Bestellung städtischer Leistungen" vor; das könnte zum Beispiel eine neue Rutsche für den Spielplatz sein, Tore für den Bolzplatz, weitere Mülleimer, Fahrradständer, Ausrüstung für den Schulsport - sogar die Beauftragung von externen Gutachten für Verkehrs- oder Stadtplanung. Im Unterausschuss Soziales des Neuhauser Bezirksausschusses allerdings, vermerkt das Protokoll, war der Tenor einer Diskussion im April: Öffentliche Toiletten, Mülleimer oder Spielplatzausstattung seien Infrastrukturmaßnahmen, die der BA nicht stemmen könne, solche Anträge werde er daher an die Verwaltung weiterreichen.

© SZ vom 03.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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