Neuhausen:Luftrettung

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Eichhörnchen leben in der Großstadt ganz schön gefährlich, sobald sie ihre Bäume verlassen. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Damit sie nicht unter die Räder kommen, sollen Eichhörnchen über Seile zwischen Bäumen balancieren

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

So sind sie, die possierlichen Eichkatzln. Huschen über die Straße, ohne zuerst nach links und rechts zu schauen und geraten so leicht mal unter die Räder. Wenn auch noch Pkw an den Straßenrändern parken, sehen Autofahrer und Radler die Tierchen viel zu spät. Nima Lirawi, CSU-Mitglied im Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg, hat deshalb angeregt, an der Braganza- und an der Hanebergstraße zwei Eichhörnchenseile zu spannen - sichere Überquerungshilfen in luftiger Höhe.

Ein Vorbild dafür findet sich bereits im Viertel, gar nicht weit entfernt von Braganza- und Hanebergstraße. An der Dantestraße hat der Verein Aktion Tier einst Eichhörnchen beobachtet, die "todesmutig die zeitweise vielbefahrene Straße überquert haben" und hat deshalb im Jahr 2015 auf Höhe des früheren Sommerbad-Eingangs ein dickes Tau von Baum zu Baum spannen lassen. Die Kosten - 800 Euro für das Seil, etwa 3000 Euro für die fachgerechte Anbringung und weitere 800 Euro für die jährliche Sicherheitskontrolle - trug die Aktion Tier. Um die Hörnchen auf den Luftweg zu locken, wurden Futterkästen angebracht und eine Videokamera, die dokumentieren sollte, wie der Wildwechsel in der Höhe angenommen wird.

Ein Jahr später haben die Tierretter, so war auf ihrer Webseite zu erfahren, die Kamera abgebaut; man mutmaßte, sie sei defekt, weil sie viele Monate lang keine Fotos gesendet hat. Beim Auslesen des Kamerachips kamen doch einige Bilder zum Vorschein, leider keines mit einem vollständigen Eichhörnchen drauf. Aber, Zitat: "Auf einem Foto ist wenigstens der Schwanz des Hörnchens zu sehen" - ein Oachkatzlschwoaf also, jener berühmte Zungenbrecher für Zug'roaste. "Besser als nichts", trösten sich die Tierschützer, "und ein Beweis dafür, dass die Eichhörnchen das Seil benutzen". Dieses, so ergibt eine Ortsbesichtigung, hängt immer noch in sechs Metern Höhe über der Dantestraße, Futterkästen und Kamera sind jedoch nicht zu erspähen, auch keine Spur mehr von dem putzigen Plakat am Fuß des einen Baumes, das Passanten einst die Installation erklärte. Und das drüberbalancierende Eichkatzl hat man wahrscheinlich leider um fünf Minuten verpasst.

Den Antrag auf zwei weitere Luftbrücken an einem anderen Standort in Gern haben die Neuhauser Stadtviertelpolitiker übrigens einstimmig befürwortet. Den Satz, falls die Stadt das nicht finanzieren wolle, bezahle eben der Bezirksausschuss, haben sie allerdings vorsichtshalber gestrichen. Haben halt nicht alle so ein großes Herz für kleine Eichhörnchen wie Nima Lirawi.

© SZ vom 07.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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