Momo Heiß ist freie Geschichtenerzählerin. Unterstützt vom Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg ist sie mit ihrem neuen Projekt, Losgeschichten, im Grünwaldpark unterwegs. Passanten, die fünf Minuten Zeit haben, ziehen aus ihrer Los-Kiste eine Papierrolle und hören dann eine Geschichte. Die Kunst, Geschichten nur mit der Stimme zum Leben zu erwecken, ist fast vergessen, sagt die Erzählerin.
SZ: Welche Geschichten sind es wert, erzählt zu werden?
Momo Heiß: Das ist einfach. Die Geschichte, die mein Herz berührt, die etwas zeigt, was ich nach außen bringen möchte, das ist die Geschichte, die ich weitererzähle. Wenn ich eine intuitive, authentische Bindung zu ihr habe. Solche Geschichten wollen einfach von mir erzählt werden. Das ist das Tolle an meinem Beruf.
Wie haben Sie zum E rzählen gefunden?
Ich habe mir schon als Kind immer gerne Geschichten ausgedacht und in meiner Fantasiewelt gelebt. Noch vor fünf, sechs Jahren kannte ich das Geschichtenerzählen in dem Sinne aber gar nicht. Das war dann wie eine Entdeckung für mich. Ich bin da reingesprungen und habe mich gleich gefühlt wie ein Fisch im Wasser. Seitdem bin ich als Musikerin und als Erzählerin unterwegs.
Kann man lernen, Erzähler zu sein?
Es gibt Kurse und verschiedene Berufsausbildungen, die man machen kann. Es gibt sogar die Möglichkeit, sich vom Berufsverband zertifizieren zu lassen. Ich habe meine Ausbildung bei einer Erzählakademie gemacht. Das hat mir sehr viel Fachwissen gegeben, man lernt auch viel durch die Verbindung mit anderen Erzählern.
Haben Sie eine Lieblingsgeschichte?
Es gibt immer Geschichten, die begleiten einen. Geschichten machen auch etwas mit dem Erzähler selbst. Jedes Mal, wenn ich eine Geschichte erzähle, dann reichert sie sich durch das Erlebnis an, das ich mit ihr hatte. Ich kann eine Geschichte ja Fünfjährigen oder Achtzigjährigen erzählen, und jedes Mal schwingt etwas anderes durch und man bekommt auch eine andere Rückmeldung."
Wer sind die besseren Zuhörer? Kinder oder Erwachsene?
Sie hören unterschiedlich zu. Für Kinder sind andere Momente wichtig als für Erwachsene. Kinder sind in der Action-Szene beim Drachen und beim Helden. Erwachsene suchen nach der Bedeutung: Was sagt mir das, ist das vielleicht mein innerer Drache, wofür steht der Drache? Erwachsene forschen auf der Deutungsebene, Kinder erleben auf der Handlungsebene. Das ist das Schöne, wenn sie zusammen zuhören.
Welche Aufgabe hat eine Geschichtenerzählerin?
Die Tradition des Weitererzählens zu bewahren. Das freie Erzählen im privaten Kreis am Lagerfeuer, aber eben auch in der Öffentlichkeit. Dieses kulturelle Erbe wiederzubeleben und in unsere Zeit zu bringen, was über Tausende Jahre lebendig gelebt wurde. Bevor es Fernseher gab, waren Geschichten schließlich die beste Unterhaltung.
Noch drei Mal wird Momo Heiß mit ihren Geschichten durch den Grünwaldpark an der Waisenhausstraße ziehen: An den Sonntagen 23. August, 30. August und 6. September. Jederzeit lauschen kann man ihren Erzählungen in ihrem Podcast "Andere Gedanken". Ihre Projekte wie Lesungen oder Workshops finden sich online auf der Website www.momoheiss.de.