Neuhausen:Heimat auf Zeit

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Die Münchner Philharmoniker sollen in der Paketposthalle spielen, bis der Gasteig fertig saniert ist. Das fordern jedenfalls die Stadtteilvertreter

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

Beim Standort-Rennen für einen neuen Münchner Konzertsaal mussten sich die Neuhauser mit ihrer Paketposthalle geschlagen geben, jetzt aber wittern sie wieder Morgenluft: Einstimmig hat sich der Bezirksausschuss (BA) am Dienstagabend dafür ausgesprochen, dass die denkmalgeschützte Halle mit ihrem markant geschwungenen Gewölbe zum kulturellen Ausweichquartier für die Zeit der Gasteig-Sanierung wird. Auch die Stadtratsfraktion der Grünen hat vor zwei Wochen dafür plädiert, die Halle an der Friedenheimer Brücke zur Interimsspielstätte für die Münchner Philharmoniker zu machen. Dabei ließ Fraktionschef Florian Roth gleich anklingen, dass aus dem Interim auch etwas Dauerhaftes erwachsen könnte: "Dort wäre Raum für weitere kulturelle Nutzungen auch über die Umbauzeit hinaus." Am 23. März will der Kulturausschuss des Stadtrats über die Generalsanierung des Gasteig-Komplexes und auch über das Ausweichquartier entscheiden.

Die derzeit präferierte Lösung für die Auftritte der Philharmoniker ist ein provisorischer Konzertsaal aus Holzfertigteilen. Insgesamt zehn Standorte wurden dafür geprüft, drei sind noch in der engeren Auswahl: ein städtisches Grundstück im Westen der Messestadt Riem, ein Großparkplatz am Candidplatz (wobei die Reaktionen im Untergiesinger Bezirksausschuss auf solch ein "elitäres Provisorium" verhalten bis sehr verstimmt ausfielen) und eben die Paketposthalle. Wo die Musik von voraussichtlich 2020 an spielt, ist freilich nur eine Frage - auch für die Stadtbibliothek und die Volkshochschule müssen Interimsquartiere gesucht und angemietet werden.

Die Paketposthalle kann in den Augen der Neuhauser Stadtviertelpolitiker mit einigem punkten: mit einer guten Verkehrsanbindung, auch durch öffentliche Verkehrsmittel, mit bereits vorhandenen Lagerflächen und Nebenräumen, die für ein Kulturzentrum genutzt werden könnten, und natürlich mit ihrer Größe: 146 Meter Länge, 124 Meter Breite und 31 Meter Höhe. Hier ließen sich neue Einbauten, ob für Konzertsaal oder Bibliothek, "günstig und schnell realisieren", heißt es in dem Antrag. Diese riesige Raumhülle hatte vor zwei Jahren schon bei der Suche nach einem neuen Konzertsaal-Standort eine Gruppe Privatleute um die Landschaftsarchitektin Andrea Gebhard und den Anwalt Josef Nachmann zur Vision einer ganzen "Musikstadt" inspiriert: große Philharmonie, kleinerer Konzertsaal, Tonstudios, Übungsräume, Gastronomie und und und. Dass technische Gutachter der Staatsregierung dann beträchtliche Sanierungskosten für die in den 1960er Jahren gebaute Halle prognostizierten, ließ die Erfolgschancen des ehrgeizigen, "Die Resonanz" genannten Projekts jedoch zusammenschnurren.

Auf Kosten oder technische Fragen geht der am Dienstag auf den Weg gebrachte BA-Antrag nicht weiter ein. Nach Ansicht der Neuhauser ist eine Abwägung der Kosten sicher notwendig, man müsse aber auch die Wirkung auf die Stadtentwicklung betrachten. Mit einem wie immer gearteten Kulturzentrum an der Friedenheimer Brücke werde der ganze Münchner Westen kulturell aufgewertet, heißt es in der Begründung des Antrags. Die Stadt solle "die große Chance zu einer sehr spannenden Umnutzung dieses einzigartigen Industriedenkmals" ergreifen, anstatt abzuwarten, ob sich irgendein Investor finde.

Noch wird Post sortiert und verteilt. Möglicherweise aber könnten in der Halle bald die ersten Konzerte stattfinden. (Foto: Stephan Rumpf)

Dass in der Halle nach wie vor das Briefverteilzentrum untergebracht ist, stellt für die Befürworter des Standortes kein unlösbares Problem dar. Die Post habe schon bei der Konzertsaal-Debatte signalisiert, dass sie zu einem schnellen Umzug bereit sei, wenn sich passende Ersatzflächen auftun. 2015 war bereits ein Standort in Germering im Gespräch. Eine solche Verlagerung müsse aber unbedingt "sozial verträglich" für die Postler gestaltet werden, findet die SPD-Fraktion im Bezirksausschuss. Auf ihr Betreiben wurde diese, dem Stand der Dinge noch sehr vorauseilende Forderung in den Antrag eingefügt - auch wenn die Stadt dafür eigentlich der falsche Ansprechpartner ist.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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