Neuhausen:"Best of ungefördert"

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Im Theater Blaue Maus kommen in einer neuen Reihe Kunstprojekte auf die Bühne, für die es bislang keine finanzielle Unterstützung der Stadt gibt. Dadurch soll sich mehr Aufmerksamkeit auf die freie Szene richten

Von Jutta Czeguhn, Neuhausen

Wer könnte auch nur annähernd sagen, wie viele Theaterprojekte, Videos oder Performances, Texte oder Kompositionen in dieser Stadt quasi schon im Geburtskanal stecken bleiben? Oder auf halbem Weg abgebrochen werden müssen und sich ihre Spur dann für immer verliert. Wer kennt all das Bühnenfertige, das nur darauf wartet, endlich an sein Publikum zu kommen? Im Theater Blaue Maus an der Elvirastraße werden jetzt "verpasste Kunstprojekte" auf die Bühne gestemmt, für die es in der reichen Stadt München bislang kein Geld gab. "Best of ungefördert" nennt sich das neue Format, mit dem Vertreter der sogenannten freien Szene an diesem Freitag, 28. September, 20 Uhr, mit verspielter Entschlossenheit versuchen, den Scheinwerferkegel auf die Fördermaschinerie der Stadt zu lenken.

Fünf dieser Ungeförderten haben in der Blauen Maus je 15 Minuten Zeit, um sich - auf Hochgeschwindigkeit beschleunigt - dem Publikum in konzentrierter Fassung vorzustellen, in welchem Stadium sich ihre Projekte auch gerade befinden mögen. Bei der Erstauflage sind dabei: der deutsch-italienische Kulturladen "Binario 11" aus Sendling-Westpark, das Kindertheater im Fraunhofer, das Video-Projekt "Handwerk" des Schauspielers und Regisseurs Robert Spitz, das Theater "Fisch & Plastik" mit einem Repertoire-Stück sowie Klaudia Schmidt samt "feministischer, sozialistischer, politisch unkorrekter" Performance, die sie mit dem Slogan "Barbiepuppen-Verbot ins Grundgesetz!" teasert.

Klaudia Schmidt, Schauspielerin, Regisseurin, Theatermacherin, ist so etwas wie der Motor des Projekts. Sie hat einige Erfahrung darin, was es heißt, sich in München als Künstlerin der freien Szene durchzuschlagen. In den vergangenen Jahren, erzählt sie, habe sie Förderanträge an die Stadt gestellt, allesamt erfolglos. Und immer sei da kurz vor der Abgabe dieses Gefühl eines "großen inneren Widerstandes" gewesen: "Diese Vorstellung, dass parallel zu mir da 100 Menschen ebenfalls eine Bewerbung schreiben und sich viel Arbeit machen und die Wahrscheinlichkeit so gering ist, dass man zum Zug kommt." Hinzu gesellte sich das schlechte Gewissen darüber, Künstlerkollegen um Hilfe bitten zu müssen, oft als Freundschaftsdienst, denn sie konnte sie ja nicht bezahlen. "Das ist eigentlich niemandem zuzumuten, denn wir alle rudern ja um unsere Existenz."

Laut Kulturreferat gingen für das Jahr 2018 genau 79 Anträge auf Einzelprojektförderung ein, zudem 13 Bewerbungen auf Debütförderung sowie 31 Anträge auf Arbeits- und Fortbildungsstipendien. Insgesamt konnte das Referat zehn Projekten eine positive Rückmeldung geben, die Fördersumme lag heuer und auch in den beiden Vorjahren bei 621 500 Euro. Auch die Zahl der Anträge und die der geförderten Künstler hat sich in dieser Zeit kaum verändert. Die Vergabe erfolgt einmal jährlich über Jurys, jeweils für Theater, Tanz und Freie Bühnen. Diese Jurys setzen sich aus jeweils fünf Mitgliedern des ehrenamtlichen Stadtrats und sechs Fachjurierenden aus dem Bereich Darstellende Kunst zusammen, die laut Kulturreferat "mit dem Bereich der freien Szene vertraut sind und die alle Erscheinungsformen der jeweiligen Sparte beobachten und begutachten können". Entschieden wird nach bestimmten Richtlinien, unter andrem sollten die Antragsteller "eine mehrjährige erfolgreiche, individuell ausgeprägte Arbeit mit erkennbarer öffentlicher und auch überregionaler Resonanz nachweisen und durch ihre bisherige Tätigkeit darlegen können, professionell künstlerisch auf qualitativ hohem Niveau zu arbeiten. Sie sollten über ein leistungsfähiges organisatorisches Potenzial verfügen und weiterführende Konzepte für die Fortsetzung ihrer künstlerischen Arbeit vorlegen."

Klaudia Schmidt ist staatlich anerkannte Theaterpädagogin. (Foto: privat)

Hinter jedem Antrag auf Projektförderung stehen ein Gesicht, eine Geschichte, ein Gedankenwerk. "Ohne Förderung wird all dies nicht sichtbar", sagt Klaudia Schmidt. Sie hat für sich selbst festgestellt, dass auch sie oft noch nicht einmal weiß, woran die Kollegen gerade arbeiten. So hat sie zunächst versucht, über das Kulturreferat an Kontakte zu Ansprechpartnern von Projekten zu kommen, die bei der Förderung ebenfalls leer ausgegangen sind. Was allerdings an Datenschutzvorgaben scheiterte. Über das Netzwerk Freie Szene München, dem sie angehört, ist ihr das dann gelungen. "Dann also habe ich meine Idee in den Orbit gebracht", erzählt sie. Sieben Rückmeldungen hat sie bislang bekommen. Fünf sehr unterschiedliche Projekte präsentieren sich nun in der Blauen Maus.

Klaudia Schmidt und ihre Kollegen sind gespannt, ob sich aus diesem ersten Abend wirklich ein Format mit Zukunft entwickeln wird. Sie hoffen auf mehr öffentliche Wahrnehmung und Chancen für die "Ungeförderten" und auch mehr Kommunikation innerhalb der Mitglieder der freien Szene. Von denen sich viele wohl wieder an die Anträge für die neue Förderrunde für 2019 gesetzt haben, Bewerbungsschluss fürs erste Halbjahr ist der 30. September. Und eine gute Nachricht kommt dann doch aus dem Kulturreferat: Wenn der Stadtrat zustimmt, soll 2019 die Fördersumme um 200 000 Euro jährlich erhöht werden.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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