Neuhausen:Auf dem Siedepunkt

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Die Festschrift "850 Jahre Neuhausen" liefert CSU und SPD Stoff für heftige politische Reibereien

Von Sonja Niesmann, Neuhausen

850 Jahre Neuhausen: Dieses Jubiläum will der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg heuer gebührend begehen, mit einem festlichen Empfang für geladene Gäste am 7. März, später im Jahr einem Bürgerfest und einer Stadtteilwoche. Für das Gremium ist das auch ein Anlass, sich selbst und sein Wirken ins rechte Licht zu rücken. Das Bild - vielleicht auch nur Wunschbild - eines weitgehend einvernehmlich zum Wohle des Viertels arbeitenden Gremiums bekam allerdings in der jüngsten Sitzung beträchtliche Risse, denn vor allem SPD und CSU verbissen sich dermaßen wegen der Festschrift ineinander, dass man am Ende fast fürchtete, einige Sozialdemokraten zögen, wie früher schon einmal, demonstrativ aus dem Sitzungslokal aus.

Laut Tagesordnung sollten an diesem Abend die Druckkosten für die Festschrift, die schon in zwei Wochen verteilt werden soll, bewilligt werden. Doch SPD-Sprecher Otmar Petz erklärte, man könne den Punkt nicht behandeln: "Wir haben keine Unterlagen, wir kennen diese Festschrift nicht, der Leo kann uns viel erzählen." Das stimmte nicht ganz, denn am Abend zuvor hatte Leo Agerer (CSU), dem offenbar Böses schwante, kurzfristig zu einer Präsentation des Festschrift-Entwurfs gerufen, an der drei SPD-Mitglieder teilnahmen. Petz war offensichtlich auch soweit im Bilde, dass er einiges an dem bisher 92 Seiten dicken Werk zu bemängeln fand: "Da fehlen wichtige Institutionen, die Geschichte fehlt, und auch der BA selbst."

Gut, ein Kapitel über den BA werde man noch aufnehmen, versprach Agerer. Als Geschichtsheft sei die Festschrift jedoch bewusst nicht konzipiert worden, weil ja die Geschichtswerkstatt zum Jubiläum ein sehr schönes 250-Seiten-Buch über die Historie Neuhausens herausgegeben hat. Der Fokus liege daher auf Vereinen und Einrichtungen im Viertel, die man gebeten hatte, einen Beitrag über ein selbst gewähltes Jahr ihrer eigenen Geschichte zu verfassen. Von 100 Kontaktierten haben rund 35 etwas abgeliefert - wie etwa Kolpinghaus, Werkhaus, Tollwood, FT Gern, Senioren- und Jugendtreff, Kulturverein, Spiellandschaft Stadt, verschiedene Schulen.

"Schwamm drüber also", versuchte Peter Loibl (AGS), die Wogen zu glätten. "Das wär' doch eine Riesenblamage, wenn wir am 7. März ohne Festschrift dastehen." Nein, insistierte Petz, "lieber wird das ordentlich gemacht und später verteilt". Als ein gewichtiger Grund für das Blocken der SPD schälte sich heraus, dass Agerer die Festschrift quasi im Alleingang betreut hatte. Sie habe sich vor vielen Monaten zur Mitarbeit gemeldet, beschwerte sich Anna Lena Mühlhäuser (SPD), aber trotz Nachhakens nichts mehr gehört. Eine Spur Reue und Einsicht hätte da vielleicht gutgetan, doch die CSU gab sich trotzig. Für all die Arbeit müsse man "den Leo loben", nicht schelten. "Er hätte doch nicht alles allein machen müssen", konterte Eva Blomberg (SPD), "hier hätten viele mit ihrem Wissen übers Viertel gerne mitgemacht."

Eine gute Stunde beharkte man sich, dann reichte es der Vorsitzenden Anna Hanusch (Grüne), sie rief zur Abstimmung. "Ist jemand gegen die 2500 Euro Druckkosten?" Zweimal wiederholte sie die Frage, doch irgendwie rauschte das im Gewoge an der SPD vorbei, kein Finger hob sich. "Einstimmig beschlossen", hielt Hanusch fest. Unerhört, gemein, Abstimmung wiederholen - die SPD war auf dem Siedepunkt der Empörung, die CSU amüsierte sich köstlich. "Abstimmungen werden nicht wiederholt", trillerte Kristina Frank.

Draußen vor der Tür schüttelte später ein Bürger, der zum ersten Mal eine BA-Sitzung besucht hatte, fassungslos den Kopf. "Kindergarten."

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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