Neue Musik:Training für die Ohren

Lesezeit: 2 min

Schweißtreibende Experimente im Avantgarde-Bereich: (v. l.) Saxofonist Johannes Schleiermacher und Schlagzeuger Max Andrzejewski vom Duo "Training". (Foto: Klara Johanna Michel)

Drei Konzerte im Schwere Reiter entwerfen völlig unterschiedliche Klangwelten.

Von Oliver Hochkeppel

Auch das Schwere Reiter, Münchens als echtes Hallen-Kleinod neu erstandenes Zentrum für Neue Musik, lässt sich nicht unterkriegen und lässt den Januar mit drei Konzerten ausklingen. Den Auftakt darf an diesem Dienstag der Lokalmatador und "Laptop-Gitarrist" Gunnar Geisse bestreiten. Er präsentiert sein neues Werk für E-Gitarre und interaktives Computer-Setup: Das viersätzige, orchestrale Stück "Color By Numbers", in dem nach und nach ein akustisches Gemälde entsteht, wie es Bob Ross hätte malen können, wäre er Komponist gewesen. Folgerichtig stehen dann auch Zitate von Bob Ross als Untertitel unter den Sätzen, etwa: "We don't make mistakes in our little world, just happy little accidents." Begleitet wird diese improvisatorische, aber bestimmten Mechanismen und Programmen folgende Klangmalerei von einer Einführung durch den Berliner Philosophen Harry Lehmann unter dem Titel "Improvisieren mit Machinen - Gunnar Geisses Gimi".

Tags darauf reisen zwei Gäste aus Berlin an. Training nennen der Schlagzeuger Max Andrzejewski und der Saxofonist Johannes Schleiermacher ihr Duo. Das ist gewissermaßen ein Corona geschuldetes, zeitgemäßes Spin-off aus Andrzejewskis Band Hütte, mit der die beiden schon große Erfolge feiern konnten. Schleiermacher ist außerdem Mitglied in den hochdekorierten Bands Andromeda Mega Express Orchestra und Shake Stew und hat sich viel mit westafrikanischer Musik beschäftigt. Neben diesen eher tonal und eingängig klingenden Projekten sind beide aber auch ausgewiesene Experimentatoren im Avantgarde-Bereich, und beides fließt nun in ihr Duo ein. Denn man wird selten eine Minimalbesetzung finden, bei der es derart laut und wild zu Werke geht, das bei seinen sehr frei gehaltenen, auf kurzen Samples aufgebauten und elektronisch erweiterten Miniaturen dann aber auch wieder ganz fein und filigran klingen kann. Worauf man sich im Schwere Reiter einlassen und freuen darf, kann man auch schon auf dem unlängst erschienenen Album "3 Seconds" hören, das 2020 als Auftragswerk für das Jazzfest Berlin entstand - freilich damals noch als transatlantischer Trio-Live-Stream mit dem amerikanischen Deerhoof-Gitarristen John Dieterich.

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Textauszüge von Julian Assange

Am kommenden Samstag schließlich stellt das von Peter Tilling geleitete ensemble risonanze erranti wieder Werke vor allem junger Komponisten der Neuen Musik vor. Mit Birke J. Bertelsmeier "zu-neigend für Cello solo" und Johannes X. Schachtners "Passagen für Kammerensemble mit obligatem Violoncello" stehen zwei Uraufführungen auf dem Programm. Dazu zum zehnten Todestag von Hans Werner Henze sein "Kammerkonzert 05" und zum 70. Geburtstag von Wolfgang Rihm dessen "Blick auf Kolchis". Titelgebend schließlich ist Iris ter Schiphorsts Stück "Assange - Fragmente einer Unzeit", das auf Textauszügen von Julian Assange basiert, kombiniert mit Politiker-Kommentaren, juristischen Urteilen und Presseartikeln. Daraus entsteht ein multimediales Spektakel für Sängerin (Lini Gong, Sopran), Live-Elektronik und großes Ensemble.

Gunnar Geisse & Harry Lehmann, Di., 25. Jan., Training, Di., 26. Jan., ensemble risonanze errati, Sa., 29. Jan., jeweils 20 Uhr, Schwere Reiter, Dachauer Str. 114a, www.schwerereiter.de .

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