Neue Museen in München:Geschichte braucht Zeit

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Um das angekündigte neue Museum für wertvolle Renaissance-Bronzen ist es auffällig ruhig geworden. Wesentlich besser voran geht es mit dem Vorhaben, den Münchnern wichtige archäologische Funde zugänglich zu machen.

Von Martin Bernstein, München

Über einen neuen Konzertsaal wird in München leidenschaftlich gestritten. Um zwei andere publikumswirksame Kulturprojekte ist es dagegen ziemlich ruhig geworden. Dabei geht es um nicht weniger als um ein neues Museum von europaweitem Rang - und um die Frage, was mit den zahllosen archäologischen Funden zur Münchner Stadtgeschichte passieren soll. Während sich die Münchner offenbar inzwischen auf Sonderausstellungen zur Stadtarchäologie freuen können, ist die Zukunft der berühmten Münchner Renaissance-Bronzen weiterhin offen.

Hubert Gerhard, Carlo Palagio, Hans Krumpper: Das sind Künstlernamen, die in München nicht auf Anhieb präsent sind. Ihre Werke sind es schon. Die Löwen vor der Residenz, der Perseus im Grottenhof, die Bavaria im Hofgarten, die Figuren auf dem Wittelsbacherbrunnen - sie sind Meisterwerke der Bronzebildnerei aus der Zeit um 1600. Neben Florenz und Augsburg war München damals ein Zentrum dieser Kunst, die höchste technische Anforderungen an Bildhauer und Gießer stellte. In ganz Europa gab es nur wenige Könner, die diese Kunst beherrschten - und der Münchner Hof war ihr Dreh- und Angelpunkt. Schon vor zwei Jahren hatte die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung angekündigt, für die Originalbronzen aus der Spätrenaissance eigene Museumsräume in der Residenz bereitzustellen.

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(Foto: Lukas Barth)

Kopien und Originale: Die Bronzen der Renaissance dürfen nur noch als Nachbildungen Wind und Wetter ausgesetzt sein: der Wittelsbacherbrunnen...

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(Foto: Robert Haas)

... und Perseus.

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(Foto: BLfD)

Für die Originale wird ebenso eine neue museale Heimat gesucht wie für Tausende Funde vom Marienhof, darunter ein mittelalterlicher Kinderschuh,...

...kostbare Gläser und...

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(Foto: Alessandra Schellnegger)

...die Überreste der Mahlzeiten der ersten Münchner.

Die Originale werden geschützt

Denn was im Hofgarten und an der Residenzstraße zu bewundern ist, sind Kopien. Die Originale wurden in den vergangenen Jahren von ihren Standorten entfernt, um sie vor Umwelteinflüssen zu bewahren. Einige der bronzenen Meisterwerke sind verstreut in den Innenräumen der Residenz aufgestellt. Andere werden zurzeit im Bayerischen Nationalmuseum in der Sonderausstellung "Bella figura" gezeigt. Gute Figur könnte auch München mit dem neuen Museum machen. In der Residenz ist mehr als ein Zimmer frei. Seit dem Umzug der Ägyptischen Sammlung ins Kunstareal vor zwei Jahren stehen die Räume im Festsaalbau leer. Ein Glücksfall: Der Kaiserhof des Stadtschlosses entstand just in den Jahren, in denen München ein Zentrum der europäischen Bronzeplastik war.

Welche Wirkung die Bronzeskulpturen im Vierschäftesaal und den angrenzenden Trakten der Spätrenaissance entfalten könnten, kann ahnen, wer etwa den überdachten Skulpturenhof des Augsburger Maximiliansmuseums besichtigt. Oder die "Bella figura"-Ausstellung im Nationalmuseum. Eine Zusammenstellung von Münchner Skulpturen im dritten Saal der Schau gibt einen Eindruck davon, welche künstlerische Wucht die Meisterwerke entfalten können, wenn sie im Zusammenhang präsentiert werden. Teile der spektakulären Ausstellung im Nationalmuseum sind geradezu als Trailer für das neue Museum konzipiert. Ein Museum, das derzeit etwas merkwürdig Phantomhaftes hat.

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Im Begleitbuch zur aktuellen Ausstellung ist bis ins Detail beschrieben, welche Kunstwerke an welcher Stelle im künftigen Museum aufgestellt werden. 2015/2016 ist als Termin genannt. Die zuständige Schlösserverwaltung hält sich indes bedeckt. Seit zwei Jahren: Schweigen. Kein Kommentar, keine Auskünfte zu eigenen Plänen, kein Eröffnungstermin, keine Kostenangaben. Alles sei noch in Planung, sagt Pressesprecherin Ines Holzmüller, Auskünfte könne sie keine geben. Die Überlegungen seien noch nicht konkret.

Vor knapp zwei Jahren hatte es von der Schlösserverwaltung geheißen, man sei in der "Konzeptionsphase". Holzmüller damals: "Nach dem Auszug der ägyptischen Sammlung werden wir die freigewordenen Flächen nutzen, um Gartenfiguren und Bronzen aus der Residenz oder auch vom Wittelsbacherbrunnen und vom Grottenhof präsentieren zu können. Hier sind sie vor Umwelteinflüssen besser geschützt." Zudem könne man nun "besser Räume für kommerzielle Veranstaltungen anbieten". Das wurde - im Gegensatz zum Bronzen-Museum - realisiert. Vergangenen November bespielte die Kunstmesse "Highlights" die Räume in der Residenz, auch für November 2015 ist die Verkaufsausstellung angekündigt. Miete für die Residenz-Räume kassieren ist für den Freistaat offenbar lukrativer als die Schaffung eines neuen, überfälligen Museums.

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"Zeitnahe" Ausstellung geplant

Im Juli 2013 beschloss der Stadtrat daraufhin eine Kooperation mit der Archäologischen Staatssammlung. Die Funde - allein 45 000 stammen vom Marienhof - sollen bearbeitet werden, um sie anschließend der Öffentlichkeit zeigen zu können. Und zwar "zeitnah", wie es in der Vorlage aus dem Kulturreferat hieß. Der auf fünf Jahre befristete Forschungsvertrag zwischen der Stadt München und dem Freistaat Bayern wurde im Sommer 2014 geschlossen. Beteiligt sind das Kulturreferat, das Stadtmuseum, das Stadtarchiv, die Archäologische Staatssammlung, das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege und das Institut für Vor- und Frühgeschichte der Ludwig-Maximilians-Universität. Der finanzielle Anteil der Stadt für Personalkosten beträgt jährlich 80 000 Euro.

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"Derzeit werden die Funde vom Marienhof untersucht", sagt Jennifer Becker, Sprecherin des Kulturreferats. Rupert Gebhard, der Leiter der Staatssammlung, freut sich: "Die Projektgruppe arbeitet fleißig, alles geht wie geplant voran." Und vielleicht, so hofft die Projektleiterin Sonja Marzinzik, könnte daraus sogar ein Gremium entstehen, das auch bei künftigen Funden als Beratungsstelle fungiert - etwa im Fall der Freihamer Ausgrabungen. Anders als in kleineren Städten wie etwa Augsburg gibt es in München nämlich keinen fest angestellten Stadtarchäologen.

Und die Öffentlichkeit? "Sobald die Funde wissenschaftlich erschlossen und exemplarisch so bearbeitet sind, das sie gezeigt werden können, wird es dazu eine Vitrinenpräsentation im Münchner Stadtmuseum geben", erklärt Becker. Ein Termin steht noch nicht fest - die Restaurierung braucht Zeit. Am Ende des Projekts ist eine Sonderausstellung im Stadtmuseum geplant. Das wird freilich nicht vor 2020 sein.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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