Neuausrichtung in Regensburg:Domspatzen gründen Mädchenchor

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Nach mehr als 1000 Jahren öffnet sich die berühmte Regensburger Institution erstmals für das weibliche Geschlecht. Der reine Knabenchor bleibt zunächst aber Domchor der Kathedrale.

Von Sabine Reithmaier

Bislang waren Mädchen und Frauen bei den Regensburger Domspatzen nicht dabei. Das soll sich nun - nach 1046 Jahren - ändern. (Foto: Michael Vogl)

Neue Zeiten bei den Regensburger Domspatzen: Nach 1046 frauenlosen Chorjahren öffnet sich die berühmte Institution für das weibliche Geschlecht und plant einen eigenen Mädchen- und Frauenchor. Die Anhänger des reinen Knabengesangs müssen sich aber nicht ängstigen: Die Domspatzen bleiben in der tradierten Form als Knabenchor erhalten, sind auch weiterhin der Domchor der Kathedrale.

Vom Schuljahr 2022/23 an können sich Mädchen für alle Jahrgangsstufen am Gymnasium der Domspatzen anmelden; das ist die Voraussetzung dafür, um in den Chören mitsingen zu können. Wie die Buben werden auch die Mädchen täglich proben und ihre Stimme bilden, werden im Dom singen, allmählich ihr eigenes Repertoire und ihre eigene Klanglichkeit entwickeln. Nach der Aufbauphase soll auch dieser Chor im Konzertsektor hör- und sichtbar sein. "Wir werden uns überraschen lassen, wie sich das anlässt, sind aber sehr zuversichtlich", sagte Domkapellmeister Christian Heiß in einer Pressekonferenz. Der Gedanke, Mädchen zuzulassen, bewegt die Verantwortlichen in Regensburg bereits geraume Zeit. In den vergangenen Jahren hatte man, vor allem auch im Zusammenhang der Neubesetzung wichtiger Schlüsselpositionen, immer wieder darüber gesprochen, Mädchen aufzunehmen. "Aber jetzt ist die Zeit reif", glaubt Heiß. "Wir beschreiten einen Weg, von dem wir alle glauben, dass er uns bestens aufgestellt in die Zukunft führt." Das ist gut möglich, denn die Schule machte in letzter Zeit etliche Male die Erfahrung, dass gute Sänger wenig Lust auf den Besuch des Domspatzen-Gymnasiums hatten, sie bevorzugten lieber gemischte Schulen. Nachwuchssorgen seien aber nicht der Grund für die Entscheidung gewesen, betonte Heiß, "wir waren vor Corona auf einem aufsteigenden Ast." Vielmehr habe man aufgrund des Neubaus der Schule, der aufwendigen Sanierung und Neustrukturierung des Hauses endlich genug Kapazitäten, um zusätzliche Angebote zu machen.

Christian Heiß, der Regensburger Domkapellmeister, hat in seiner Funktion als Eichstätter Domkapellmeister bereits etliche Jahre Erfahrung in der Chorarbeit mit Mädchen. (Foto: Michael Vogl)

Schulleiterin Christine Lohse hat gemeinsam mit Heiß vor knapp zwei Jahren die Führung der altehrwürdigen Institution übernommen. Beide sahen sich in dieser Zeit häufig mit der Frage konfrontiert, warum Mädchen die hochwertige musikalische und gymnasiale Bildung nicht zugänglich sei. "Uns war schnell klar, dass wir uns öffnen, erweitern und mit Mädchen in die Zukunft gehen müssen," sagte Lohse. Die Idee sei auf große Offenheit, Wohlwollen und einhellige Unterstützung aufseiten der Kirche gestoßen. Sie selbst zeigte sich sehr überzeugt vom Konzept des Gymnasiums. "Alle Schüler sind Chorsänger auf höchstem Niveau - das ist einzigartig in Deutschland", unterstrich sie. Das tägliche Bad in der Hochkultur sei ein ganz spezielles Merkmal der Domspatzen.

Die Chöre werden getrennt proben. Schließlich handle es sich um ganz spezifische musikalische Ensembles, die ihre eigene Strahlkraft entwickeln sollen, sagte Heiß. Es könne zwar durchaus gemeinsame Projekte geben, aber, zumindest nach derzeitigem Stand, keine gemischten Chöre. Anders ist es am Gymnasium, wo Wert auf gemischte Ensembles gelegt wird. "Gemeinsames Singen und Musizieren gehört zur Schulrealität", sagt Lohse, die den Öffnungsschritt als einen Weg in eine Normalität bezeichnete, die den Domspatzen sicher zugute komme.

Trotzdem war es ein langer Weg, seitdem im Jahr 975 der damalige Regensburger Bischof Wolfgang eine eigene Domschule ins Leben rief und damit die Tradition begründete, die heute in den Chören der Regensburger Domspatzen fortlebt. Deren Name taucht übrigens in Presseberichten über eine Auslandsreise nach Prag im Jahr 1910 zum ersten Mal auf. Wie der neue Chor heißen soll, steht noch nicht fest. "Wir sind noch in einer Findungsphase", sagte Heiß. "Aber Dom-Nachtigallen sicher nicht." Denn ein Verzicht auf die Marke Domspatzen kommt nicht in Frage.

© SZ vom 16.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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