Nahverkehr am Wendepunkt:MVG droht Millionen-Minus

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Veraltete U-Bahnzüge und marode Tunnel: Auf die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG kommen in den nächsten Jahren hohe Kosten zu.

D. Hutter

So haben sich das die Fahrgastverbände nicht vorgestellt: Die Klimadebatte tobt, die Fahrgastzahlen steigen - und die MVG verzichtet nicht nur auf sinnvolle Verbesserungen, sondern sieht in ihrem Winterfahrplan sogar Kürzungen vor. Aus finanziellen Gründen. "Sehr merkwürdig" klinge es da, wenn die rot-grüne Rathauskoalition ihre angeblich so erfolgreiche Verkehrspolitik lobt, schimpft Berthold Maier, der Sprecher des Arbeitskreises Attraktiver Nahverkehr. Und Andreas Nagel von der Aktion Münchner Fahrgäste will "lieber nicht darüber nachdenken", wofür öffentliche Gelder gerade an anderer Stelle verschwendet werden.

Tunnelblick: Die Röhren der Münchner U-Bahn kommen allmählich in die Jahre. Der Aufwand für die Instandhaltung wird immer größer. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Tatsächlich könnten die eher zaghaften Einsparungen, die die Münchner Verkehrsgesellschaft MVG am heutigen Dienstag dem Stadtrat vorstellt, erst der Anfang sein. Denn das Unternehmen richtet sich auf klamme Zeiten ein. Münchens Nahverkehr, davon ist MVG-Chef Herbert König überzeugt, steht am Wendepunkt: Hatte sich die Wirtschaftlichkeit in den vergangenen Jahren noch stetig verbessert, "geht es nun wieder in die andere Richtung", gen Defizit also. Zwar hofft König, zumindest 2009 noch ohne größere Bilanz-Blessuren zu überstehen. Spätestens im kommenden Jahr könnte jedoch erstmals seit 2001 wieder ein Loch in der MVG-Kasse klaffen, möglicherweise sogar ein zweistelliges Millionen-Minus. Da heißt es sparen. "Die Finanzierung des Nahverkehrs wird in den kommenden Jahren zur großen Herausforderung", warnt König.

Vor allem in der U-Bahn wird randaliert

Gründe für diese dramatische Entwicklung gibt es zuhauf. So spürt die MVG an steigenden Unterhalts- und Reparaturkosten, dass die U-Bahn-Tunnel in die Jahre kommen - samt Rolltreppen, Wandverkleidungen und technischer Ausstattung. Bis 2025 müssen zudem etwa 40 Prozent des U-Bahn-Fuhrparks ausgewechselt werden. Die knapp 180 Doppeltriebwagen der ersten Baureihe, die nach wie vor das Rückgrat des U-Bahn-Betriebs bilden, stammen großteils noch aus den 1970er Jahren, der Austausch ist also demnächst fällig. Denn U-Bahnen haben ungefähr eine Lebensdauer von 40 Jahren. Die Neuanschaffung kostet mehrere Millionen Euro - für jeden einzelnen Zug.

Mehr und mehr Geld verschlingt auch das Treiben der Randalierer. Allein von 2007 bis 2008 stieg der Reparaturaufwand um rekordverdächtige fünf Prozent. Inzwischen muss die MVG jährlich 2,3Millionen Euro ausgeben, um Schmierereien zu entfernen, aufgeschlitzte Sitze und zerkratzte Scheiben zu ersetzen, eine stetig wachsende Zahl an Aufklebern abzulösen sowie mutwillig beschädigte Aufzüge und Rolltreppen wieder instand zu setzen. Vor allem in der U-Bahn wird randaliert wie nie.

Sparpolitik im Freistaat trifft besonders den Nahverkehr

Fünf Millionen Euro kostet König zufolge zudem der Beschluss der MVV-Gesellschafter, nicht im Frühjahr, sondern erst im Dezember 2009 die Fahrpreise anzuheben. Was ja als einmalige Ausgabe vielleicht noch zu ertragen wäre - wenn da nicht auch noch die aus Sicht des MVG-Chefs unmäßigen Tarifabschlüsse der Fahrer eine dauerhafte Bürde für die Nahverkehrsfinanzen darstellten. Immer extremer wirkt sich auch die Sparpolitik des Freistaats aus, die entgegen aller umweltpolitischen Beteuerungen den Nahverkehr besonders hart trifft. So können laut König die stark gestiegenen Preise für Schülertickets die radikal zurückgefahrenen Zuschüsse für den Ausbildungsverkehr nicht ausgleichen - von den ebenfalls gesunkenen Förderbeiträgen für Fahrzeuge und neue Strecken einmal ganz zu schweigen. Harte Zeiten also, zumal König nicht das Gefühl hat, als würde der Staat seine Haltung noch einmal überdenken.

Da bleiben nur: schlechtere Takte, höhere Fahrpreise - und notfalls neue Zuschüsse von der Stadt oder der Konzernmutter Stadtwerke. An Letzteres will aber auch die Aktion Münchner Fahrgäste nicht glauben, die deshalb fordert, doch einmal öffentlich vorzurechnen, zu welchem Fahrpreis ein ungekürztes, vielleicht sogar bedarfsgerecht verbessertes MVG-Angebot zu haben wäre. Damit die Fahrgäste wenigstens die Wahl haben zwischen Pest und Cholera.

© SZ vom 07.07.2009/apet - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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