MVV will sein Gebiet ausweiten:Mit der Streifenkarte nach Altötting

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Von Ostbahnhof zum Flughafen - und dann noch viel, viel weiter: Der MVV will sein Gebiet erweitern. (Foto: dpa)

Das Gebiet des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes soll größer werden. Viel größer: Es soll künftig eine Region mit etwa fünf Millionen Einwohnern umfassen. Noch weiß allerdings niemand, wie die Fahrkartenpreise dann berechnet werden.

Von Marco Völklein

Bislang ist es nur eine Vision: Eine Fahrt mit der Tram vom Augsburger Stadtteil Haunstetten zum Bahnhof, weiter mit dem Zug nach München und dann mit der U-Bahn zum Tierpark in Thalkirchen - und das alles per MVV-Streifenkarte! Die Gesellschafter des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV) haben auf ihrer Sitzung vor einer Woche die Planer des Verbunds damit beauftragt, ein Modell für eine Ausweitung des MVV-Gebiets zu entwickeln, weit über die jetzigen Grenzen hinaus.

So soll der neue Großverbund möglichst die gesamte "Europäische Metropolregion München" (EMM) umfassen. Die zieht sich von Garmisch-Partenkirchen im Süden bis Ingolstadt und Eichstätt im Norden, von Augsburg im Westen bis Traunstein und Altötting im Osten - ein Gebiet mit fast fünf Millionen Einwohnern.

Schon heute pendeln unzählige Arbeitnehmer etwa aus Mühldorf, Weilheim oder Aichach nach München, viele davon allerdings mit dem Auto. Seit Jahren konstatieren Verkehrsforscher ein "enormes Wachstum der Verkehrsverflechtungen" - nicht nur im Berufsverkehr, sondern auch zum Einkaufen oder für die Freizeit. Die Erweiterung des Verbunds ist für MVV-Chef Alexander Freitag daher "eine der spannendsten Zukunftsaufgaben überhaupt". Zuletzt hatten unter anderem die Oberbayern-CSU, aber auch die SPD in den Landkreisen Initiativen für eine MVV-Erweiterung gestartet. Sie wollen damit auch ein anderes Problem lösen: Wird Pendeln mit Bus und Bahn einfacher, würde das unter Umständen Druck aus dem angespannten Münchner Wohnungsmarkt nehmen.

Erste Ansätze in Richtung Großverbund gibt es schon: Im Jahr 2010 hatten verschiedene Verbünde wie der MVV, der Augsburger AVV und der Ingolstädter Verbund zusammen mit der Deutschen Bahn und weiteren Verkehrsbetrieben einen Schritt in Richtung gemeinsamer Tarif getan. Mit der "AboPlusCard" können seither Pendler zum Beispiel mit dem "Alex"-Zug von Regensburg nach München fahren und hier die MVV-Verkehrsmittel nutzen. Die Karte gibt es aber nur im Jahresabo, ist also nur für Dauerpendler interessant. Für Tagesausflügler bietet die Deutsche Bahn zudem das "Bayern-Ticket" an, das in fast allen bayerischen Verbünden gilt. Ein einheitlicher EMM-Tarif unter einer gemeinsamen Dachmarke könnte aber, das hoffen Politiker wie Planer, viele Autofahrer auf Busse und Bahnen umsteigen lassen.

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Wie genau dieser künftige Tarif aussehen wird, ist derzeit noch völlig offen. Zu viele offene Fragen müssen geklärt werden - unter anderem natürlich die finanzielle. Im MVV teilen sich derzeit die beiden Großanbieter Deutsche Bahn als Betreiberin der S-Bahn und die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) fast 90 Prozent der jährlichen Fahrgeldeinnahmen von zuletzt 727 Millionen Euro unter sich auf. Der Rest fließt an die Landkreise, die damit den Regionalbusverkehr bezahlen.

In einem künftigen Großverbund mischen dagegen neben Bahn und MVG weitere Verkehrsbetriebe mit, zudem säßen 20 Landkreise und fünf kreisfreie Städte mit am Tisch. Und sie alle wollen mitkassieren.

Auch aus Kundensicht stellen sich viele Fragen: Je nachdem, wie der Tarif gestaltet wird, könnten Fahrgäste aus den beiden größten Verbünden MVV und AVV am Ende draufzahlen. Wichtig sind auch die Tarifgrenzen: Dort können mitunter immense Preissprünge entstehen, was wiederum dazu führen kann, dass Pendler nicht den nächstgelegenen Park-&-Ride-Platz ansteuern, sondern erst noch längere Strecken per Auto zurücklegen. Fachleute sprechen von einem "magischen Dreieck", das es bei der Tarifplanung auszutarieren gelte: Die Nahverkehrspreise müssen einfach sein, dazu noch gerecht. Und am Ende muss genug Geld fließen, um Busse und Bahnen fahren lassen zu können.

Absehbar ist, dass das aktuelle Münchner System mit seinen Zonen und Ringen, das "monozentrisch" auf die Landeshauptstadt ausgerichtet ist, eine Erweiterung wohl nicht überleben wird. Denkbar ist vielmehr ein Tarifgeflecht aus verschiedenen Waben, bei denen dann zum Beispiel die fünf Städte jeweils eine Großwabe bilden, in der man dann mit einem Fahrschein fahren kann. "Polyzentrisch" ausgerichtete Regionen wie beispielsweise das Rhein-Main-Gebiet oder der Mannheimer Raum arbeiten mit solchen Tarifstrukturen.

All diese Fragen wollen die MVV-Planer nun klären - nicht nur mit Vertretern der Städte und Landkreise, die sich in einem EMM-Verein zusammengeschlossen haben, sondern auch mit der Unterstützung von Forschern. Bis der Großverbund starten könnte, wird also noch viel Zeit vergehen. Ein mögliches Startdatum aber, so ist zu hören, wären Olympische Winterspiele 2022, sollte München den Zuschlag dafür erhalten. Schließlich war ja auch der MVV zu den Spielen 1972 gegründet worden.

© SZ vom 20.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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