Nahverkehr:Wie der MVV Fahrgäste augenzwinkernd zur Ordnung rief

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"Aus dem Walkman tönt es grell..." - das zitieren Münchner noch heute, wenn es um Musik in Bus oder Bahn geht. (Foto: Münchner Verkehrsgesellschaft)

"Aus dem Walkman tönt es grell - den Nachbarn juckt's im Trommelfell": Dieser Spruch von einem Hinweisschild der MVV wurde Mitte der Achtzigerjahre berühmt.

Von Kassian Stroh

Mitte der Achtzigerjahre wird in Münchens U- und S-Bahnen ein neues Problem akut: Musik hörende Mitfahrer. Zumindest spiegelt sich das in vielen Briefen wider, die den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) erreichen. Über die "rhythmischen Schläge aus dem Walkman" beschwert sich da ein Fahrgast, eine Frau schreibt: "Es ist unerträglich, wenn ich morgens und abends oft über 30 Minuten lang diesen ohrenbetäubenden Lärm aushalten muss."

Zwar ist es verboten, in den Bahnen Musik zu hören, auch mit Kopfhörern. Doch der MVV versucht, das Problem nicht auf die harte Tour zu lösen: Vom 2001 gestorbenen Münchner Architekten und Karikaturisten Ernst Hürlimann lässt man sich 1986 einen Cartoon zeichnen, der mehrere Tausend Mal in den Bahnen aufgehängt wird. Das Schild weist auf das Verbot hin - und nimmt zugleich einen eleganten Ausweg: Was andere nicht hören, wird auch nicht stören.

Der Münchner Karikaturist Ernst Hürlimann hat 1986 für den MVV zwei Plakate gezeichnet. Sie sind berühmt geworden. (Foto: Münchner Verkehrsgesellschaft)

Augenzwinkernd statt verbietend - die Reaktionen sind, wie dem MVV-Archiv zu entnehmen ist, positiv. Auch wegen des berühmt gewordenen Spruchs: "Aus dem Walkman tönt es grell - den Nachbarn juckt's im Trommelfell." Den zitieren Münchner auch heute noch, mehr als 30 Jahre später, obwohl die Schilder längst nicht mehr hängen, nicht einmal mehr in den alten U-Bahn-Waggons. Und in der MVV-Zentrale fragen nach wie vor regelmäßig, wenn auch ohne Erfolg, Menschen an, ob sie ein Exemplar haben könnten. Zum Aufhängen daheim. Münchens bekanntestes Verbotsschild ist sogar zum Exportgut geworden: 1989 übernahmen es die Verkehrsbetriebe von Hamburg.

Wie aus dem MVV-Archiv hervorgeht, standen seinerzeit noch zwei andere mögliche Slogans zur Auswahl: "Des einen Sound - macht den andern schlecht gelaunt." Und: "Des Nachbarn Knopf im Ohr - kommt manch anderm störend vor." Ob aber einer dieser beiden je diese Wirkung entfaltet hätte, hätte er 1986 das Rennen gemacht?

Hürlimann zeichnet damals übrigens noch ein Plakat für den MVV. Wegen der Beschwerden vieler Fahrgäste und wegen der hohen Reinigungskosten beschließt der Stadtrat 1986, dass in den U-Bahnen und auf den Bahnsteigen im Untergrund nicht mehr, wie bis dahin völlig üblich, geraucht werden soll (für ein echtes Verbot fehlt damals noch die gesetzliche Grundlage). Die zugehörigen Plakate "Machen Sie mal ne Rauchpause" zeigen aber wenig Wirkung, kaum einer hält sich daran. So greift der MVV zu einem etwas drastischeren Plakat, das Hürlimann entwirft: "Der eine raucht - dem andern stinkt er." Auch dieses Plakat ist heute längst überholt, am Prinzregentenplatz ist aber immer noch ein Exemplar zu bewundern.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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