Musik:Auf der Suche nach seltsamen Blüten

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Ingas Musik klingt, als hätte sie ihre Wohnung und ihren Kopf aufgeräumt und ein paar Fundstücke, die es wert waren, aufgehoben. (Foto: Kathrin Faendrich)

Die Münchner Kunststudentin Inga hat ein der Welt entfremdetes Album aus Alltagsklängen aufgenommen. Nun tritt sie damit im Garten des Volkstheaters auf

Von Egbert Tholl

Finger rutschen quietschend über das Griffbrett der Gitarre, Akkorde zerfallen in einzelne Töne, als bewege der Wind eine Kette leuchtender Lampions. "Dommage" heißt das Lied, im Wörterbuch steht, das bedeute so viel wie Schaden oder Verlust. Ist Französisch. Aber stimmt das denn auch? Da kommt, nach einigen französischen Worten, eine deutsche Zeile: "Die Welt dreht sich im Kreis und du dich auf mir." Dann verschwindet die ohnehin sehr zarte Idee von Klang, nur die Stimme bleibt, leicht verzerrt, ganz weit weg. Als habe man längst den Ort verlassen, aber die Stimme singt, für sich, ganz allein, immer weiter. Im nächsten Lied wird dann erklärt, wie man sich die flüchtige Wahrnehmung subtiler Sinneseindrücke auch vorstellen kann: "Ein Walfisch kann nicht riechen, aber ich dich umso mehr."

Inga heißt die Sängerin, der diese Stimme gehört. Ihr Album heißt "Tears and Teeth". Als Vinyl-Scheibe ist es eine leere, weiße Scheibe, eine Projektionsfläche, auf der sich, entlockt man ihr die unsichtbaren Klänge, Erinnerungen und seltsame Gedanken widerspiegeln. Aufgenommen hat Inga das Ding mit Laptop und Gitarre, mit Text- und Klangversatzstücken, als habe sie während des Lockdowns ihre Wohnung und ihren Kopf aufgeräumt und hier ein paar Fundstücke, die es wert waren, aufgehoben zu werden, versammelt. Etwa den flauschigen Eindruck eines eigentlich eher furchterregenden Zahnarztbesuchs.

Es braucht schon ein so feinsinniges und neugieriges Plattenlabel wie Trikont in München, um den zwölf Liedern, die sich wie absichtslos ereignen, eine Heimstatt zu geben. Inga studiert an der Münchner Kunstakademie, ist im Münchner Umland aufgewachsen, hat in Wien, Südamerika und Kanada gelebt, Käse auf einer Schweizer Alm gemacht und arbeitet als Beleuchterin beim Film, wenn sie Geld braucht, wofür ihr maximal 80 Tage im Jahr reichen. Offenbar kann sie recht unaufwendig leben. Auch ihre Musik hat sie so für sich in ihrem Atelier zusammengebastelt, dachte erst einmal gar nicht an eine Veröffentlichung. Aber dann kam Leo Hopfinger von Das Hobos, für die Inga mal ein Konzert eröffnet hat und bewahrte die zwölf wunderlichen Sternschnuppen, bevor sie im Weltall verglühen konnten. Nun tritt Inga im Volkstheater auf; wenn das Wetter schön ist. Denn sie spielt im Garten, wo ihre Musik auch hingehört wie die Blüten eines Apfelbaums, die noch durch die Luft treiben, wenn die Ernte schon längst vorüber ist.

Inga , Dienstag, 18. August, 20 Uhr, Münchner Volkstheater, Garten, Brienner Straße 50

© SZ vom 18.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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