Kritik:Seelenmusik und Leichtigkeit

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Die Münchner Symphoniker spielen Claude Vivier, Alfred Schnittke und Francis Poulenc.

Von Paul Schäufele, München

Claude Viviers Passion galt dem Singulären. In den 34 Jahren vor seiner Ermordung in Paris arbeitete der genialische Franko-Kanadier ständig am passenden Gefäß für den Ausdruck eigener Seelenlagen und entwickelte so eine höchst individuelle Tonsprache. Ein persönlicheres Stück als das 1981 uraufgeführte "Lonely Child" ist schwer denkbar. Die Münchner Symphoniker unter Leitung von Nodoka Okisawa haben es ins Zentrum ihres Programmabends "Nacht und Träume" im Prinzregententheater gestellt, dieses rätselhafte Stück, das vor allem durch Katrien Baerts' von allen Schlieren befreitem und mit Neuer Musik bestens vertrautem Sopran zum Klangereignis wird.

Viviers Komposition ist eine Absage an die Kategorie der Tonalität. Seine berührende Ansprache an ein imaginiertes Kind, eine mit Feen und Königinnen bevölkerte Trostbotschaft, teils Französisch, teils in erfundenen Wörtern, hängt an einer einzigen, zitternden Linie. Das Orchester schafft einen flirrenden Klangteppich, in den Katrien Baerts konzentriert ihren Melodiefaden webt. Ein klangliches Detail macht die Konstellation besonders interessant: Viviers Musik hat starke Impulse von seinen Asien-Reisen empfangen. Wie ein Signal klingen deshalb Gong und Glöckchen durch das Stück. Zu Baerts' im wahrsten Sinne glockenheller, instrumental disponierter Stimme ergibt sich so eine faszinierende Korrespondenz.

Das Gegengewicht zu Claude Viviers suggestiver Trance-Musik stellen zwei Granden der Moderne, die aus ihrem Interesse an musikalischem Humor und Leichtigkeit nie einen Hehl gemacht haben. Alfred Schnittkes "Suite im alten Stil" ist eine heitere Hommage an barocke Formen, die nur wirkt, wenn das Ensemble Balance hält, Dynamik und Artikulation ausgewogen sind. Okisawa erreicht das mit zurückhaltenden, eleganten Bewegungen. Mit derselben Eleganz gelingt ihr auch die hinreißende "Sinfonietta" von Francis Poulenc. Schlanke, schillernde Akkorde stehen neben nostalgisch schwelgerischen Melodien und lassen momentweise Varieté-Charme ins Prinzregententheater einziehen.

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