Münchner Momente:Tanz auf dem Vulkan

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Trotz Minusgraden haben die Geschäfte in der Innenstadt die Türen ständig geöffnet. Einfach mal alles raushauen, das ist wohl das Motto

Von Pia Ratzesberger

Ein Tag der offenen Tür kommt meist gut an, es gibt da allerdings feine Unterschiede. Mit einer offenen Tür signalisiert der Chef zum Beispiel, dass er stets ein Ohr hat für die Nöte seiner Mitarbeiter, eine offene Tür heißt so viel wie: Ich bin einer von euch. Mit einem Tag der offenen Tür will sich nicht nur der Chef, sondern auch der Landtag volksnah geben, transparent sowieso, die Stadt München sperrt aus dem gleichen Grund einmal im Jahr ihre Türen auf, auch die Universitäten, Museen und wer nicht sonst noch alles tun das. Eine offene Tür soll Sympathien bringen, in der Innenstadt verfolgen manche Geschäfte deshalb eine recht gewitzte Strategie: Sie machen gleich jeden Tag zum Tag der offenen Türen.

Trotz Minusgraden reißen diese Filialen weiter ihre Türen auf, machen sie tagsüber gar nicht mehr zu, so offen und sympathisch wollen sie rüberkommen. Die Geschäfte möchten den Kunden mit der hohen Kaufkraft gerne den roten Teppich ausrollen, das ist bei geschlossener Tür nun einmal schwer. Bei geschlossenen Türen könnte es ja sein, dass sich die Kundschaft abgeschreckt fühle, argumentieren manche Händler, man stelle sich das einmal vor: Huch, eine Tür, da gehe ich lieber nicht rein. Das traut man den verschüchterten Münchner Einkäufern natürlich zu. Also lassen die Geschäfte ihre Eingänge weiter offen stehen und pusten warme Luft dagegen; damit zwar die Kunden reinkommen, nicht aber die Kälte.

Vielleicht ist das aber auch gar keine Energieverschwendung, wie mancher tadelt, vielleicht ist das auch einfach ein Statement gegen diese ganze Bewegung des immer weniger, immer bewusster, gegen das "Schmeiß alles weg und kauf nur noch Bio". Statt sich maßzuregeln lieber mal raushauen, die Heizung auf Fünf drehen, das Fenster aufreißen und noch den Grill auf dem Balkon anschüren, fünf Packungen Würste zu viel einkaufen. Geht doch ohnehin alles darnieder, warum also nicht noch einmal einen draufmachen und auf dem Vulkan tanzen. Vielleicht sind die offenen Türen eigentlich eine neue Werbekampagne gegen den Minimalismus und für die Verschwendung. Wer sollte die schon starten, wenn nicht die Geschäfte einer Innenstadt.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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