Münchner Momente:Schön bis in die Spitzen

Das Home-Office führt mitnichten zur kompletten Verwahrlosung. Zwar sieht der Münchner selten andere Menschen - dafür oft sich selbst im Spiegel

Kolumne von Laura Kaufmann

Schönheits-OPs sollen im Zuge der Corona-Krise einen wahren Boom erfahren. Fettabsaugung der Home-Office-Sünden, Glättung der Fältchen um die Augen, die mit Maske so herausgestellt wirken, Lippenkorrekturen, weil sich die Schwellungen so schön unter der Maske verbergen lassen. Das Home-Office führt also nicht zur kompletten Verwahrlosung. Eher sieht der Münchner selten andere Menschen, dafür oft sich selbst im Spiegel. Der Abgleich mit Artgenossen erfolgt über Seriendarsteller, die abends das Sozialleben ersetzen. Nach übermäßigem Konsum von gebleichten Hollywoodzähnen auf dem Bildschirm festigt sich schnell das Gefühl, nach einem Lockdown im Tambosi-Bussi-Bussi-Trubel nicht mehr mithalten zu können.

Friseure hingegen scheinen von diesem Schönheits-Boom nicht betroffen. Oft griff der Durchschnittsmünchner während des ersten Lockdowns verzweifelt selbst zur Schere, beschämt schlappte er später zum Coiffeur seines Vertrauens, um sein Haupthaar wieder in eine lochfreie, ebene oder zumindest gewollt wilde Frisur verwandeln zu lassen. Seitdem ist einige Zeit ins Land gegangen. Mittlerweile zeichnen sich die Pandemiefrisurentrends deutlich ab: Dutts für lange Haare und rasierte Schädel. Splissige Spitzen sind im Nu im Hinterkopfknödel versteckt, der Rasierer ist schnell selbst geschwungen. Selbst geschnittene Löcher finden sich nur noch in längeren Bärten, der Barbier darf noch nicht ran. Ein Bart lässt sich schlecht mit Maske schneiden. Der Friseur des Vertrauens hat trotzdem Löcher im Terminkalender. Dabei kommt der Dezember bald und mit ihm hoffentlich Treffen mit Freunden, gewiss mit der Familie. Vielleicht reicht das Wetter sogar für die Tambosi-Terrasse. Selbst, wenn nicht: Sich für 2021 herauszuputzen, das lohnt sich ganz bestimmt!

© SZ vom 12.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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