Münchner Momente:Pusteln statt Promis

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Der November ist trübe und eignet sich doch hervorragend, um all die Schönheiten der Stadt zu entdecken, die sich sonst hinter Nebel verbergen. Und wenn es Schweine sind

Von Inga Rahmsdorf

Dem November wird völlig zu Unrecht unterstellt, er führe zwangsläufig zu trüber Stimmung, Müdigkeit und dunklen Seelentiefs. Doch ganz im Gegenteil: Gerade dieser Monat birgt unzählige Möglichkeiten, die versteckten Schönheiten dieser Stadt zu entdecken, die Dinge, die sich hinter den grauen Nebelschwaden verbergen, die nicht glänzen und glitzern, sondern weitgehend unbeachtet im Dunklen ihr Dasein fristen. Während der Münchner in den vergangenen Wochen auf so zauberhafte Dinge blickte wie transparente Konzertsäle, saugende Saugbagger und entzückte Promis, die mit poetischen Pferden über rote Teppiche flanierten, soll nun endlich zwei neuen Einwohnern Münchens die ihnen angemessene Beachtung zuteil werden.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit sind zwei Pustelschweine in den Hellabrunner Tierpark eingezogen. Wer nun vom Namen voreilige Rückschlüsse auf die Grazilität dieser Wesen schließt, dem sei geraten, noch einmal genau hinzuschauen, ja, die versteckte, krude Schönheit unterm borstigen Fell zu entdecken. Während der ausladende Rüssel übergangslos in einen behaarten Nacken mit langer Mähne übergeht, der bereits Teil eines drallen Körper ist, bildet der kurze, zierliche Schwanz einen hübschen Kontrast dazu. Im Gesicht haben die beiden Neu-Münchner zudem drei pustelartige Schwellungen, denen sie ihren Namen verdanken. Wen diese versteckte Schönheit nun inspiriert, der kann Pate der seltenen Genossen werden und sich noch einen zauberhaften Vornamen für sie aussuchen.

Eingewandert sind die beiden Keiler aus Nordirland. Ursprünglich stammen sie aber von der philippinischen Inselgruppe Visayas, wo sie allerdings nur noch zwei Prozent ihres ursprünglichen Gebietes bewohnen, da sie verfolgt werden. Anders als Konzertsäle, Saugbagger und Promis sind die Visayas-Pustelschweine vom Aussterben bedroht. Wie gut, dass zwei von ihnen nun in München eine Bleibe gefunden haben. Novembertage werden gleich viel weniger düster und melancholisch, wenn man sie mit warzigen Pustelschweinen verbringt statt mit glitzernden Promis.

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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