Münchner Momente:Politik als Spaziergang

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Horst Seehofer will die Trambahn, Ludwig Spaenle will einen Bus. Irgendjemand wird unter die Räder kommen, wenn die beiden sich demnächst im Englischen Garten treffen

Von Lisa Schnell

Horst Seehofer hat in der bayerischen Politik schon einige Neuheiten eingeführt. Sein Ideenreichtum zeigte sich an Sprachschöpfungen wie "Schmusischmusi" oder "Quatschiquatschi". Jetzt aber entwickelte er jenseits von Worten eine ganz neue Kategorie: den politischen Spaziergang. Das Novum politischer Kommunikation wird sich im Englischen Garten ereignen. Eine nicht nur im symbolischen Sinne bahnbrechende Entwicklung, schließlich geht es um eine Trambahn.

Der politische Spaziergang sei ein Signal, sagt Seehofer. Der Versuch, den Politikstil professioneller zu gestalten. Es kann daraus der Schluss gezogen werden, dass Seehofer die Trambahnpolitik der CSU bis jetzt als eher unprofessionell beurteilt. Ein Rückblick: Jahrzehntelang verteufelte die Münchner CSU eine Trambahn durch den Englischen Garten. Dann drohten in München auf einmal Diesel-Fahrverbote, und die Diskussion um eine emissionsfreie Batterie-Tram schaffte es in den Aufmerksamkeitsradius Seehofers. "Eine gute Idee", verkündete er mit der nur ihm eigenen Fähigkeit zu spontanen Kehrtwenden. Einer aber kam bei dem Karussell nicht mit: der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle. Wer für die Gartentram sei, versündige sich, sagte er und gab Seehofer den Anlass, über neue Wege der politischen Kommunikation nachzudenken.

Als Erstes wählte er das Foto. Jedem, der es sehen wollte und auch dem Rest der Welt, hielt er ein Bild unter die Nase vom Bus, der durch den Englischen Garten fährt. Fast gleichzeitig kam ihm die Idee zum politischen Spaziergang. Eine besonders herzliche Einladung spricht Seehofer an Spaenle aus: "Dem werde ich ausdrücklich sagen, dass er dabei sein soll." Nun entgegnet Spaenle: "Ich freue mich sehr." Auch wenn er jeden Quadratzentimeter dort kenne, sei so ein Spaziergang doch die beste Möglichkeit, sich zu informieren. Dann könne man am besten bewerten, ob ein Elektrobus oder eine Batterie-Tram die bessere Lösung sei. Für Seehofer hat sich damit der Spaziergang als neues Instrument der Überzeugung bewährt. Denn: "Mit einem Sünder geht man nicht spazieren."

© SZ vom 21.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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