Münchner Momente:Oberburschen unter sich

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Es gibt sie noch, die gute alte Zeit. Junge Männer stehlen einen Maibaum. Warum sich die Geschädigten darüber so freuen? Weil sie wissen, was eine Win-Win-Situation ist

Von Andreas Schubert

Burschenvereine sind etwas Feines. Sie pflegen jahrhundertealtes bayerisches Brauchtum, das zum Beispiel darin besteht, Bierfeste zu feiern, Wein- oder Faschingfeste. Und natürlich stellen sie alle paar Jahre einen Maibaum auf, bei dem es dann Bier und Wein gibt - und weil der Fasching dann ja schon ein paar Tage zurück liegt, schmeißen sich die Burschen und Dirndl in Tracht, die selbstverständlich auf eine jahrhundertealte Tradition zurückgeht. Da können sie dann schon für die Waldfeste im Sommer üben, diese wunderbar gemütlichen, urtypischen und stets friedlichen Zusammenkünfte, bei denen, weil es halt die Tradition verlangt, auch die eine oder andere Mass fließt. Noch gemütlicher ist es dann eigentlich nur noch auf der Wiesn, der griabigsten Kirmes der Welt. Ja, das Brauchtum ist fest in der bayerischen Seele verankert, dazu gehört auch das Maibaumstehlen, das die Burschen aus Neufinsing, Ismaning und Unterföhring gerade erfolgreich hinter sich gebracht haben. Es war der Baum vom Viktualienmarkt, Eigentümer ist der Verein Münchner Brauereien, ein Zusammenschluss von Traditionsunternehmen, wie er münchnerischer nicht sein könnte. Das lebt der Vereinsvorstand Andreas Steinfatt geradezu beispielhaft vor. Der Paulanerchef weiß was sich gehört und ist deshalb ziemlich oft in Lederhose gewandet; sie gehört dermaßen zu seinem Erscheinungsbild, dass man sich fragt, ob er sie überhaupt jemals auszieht. Der Steinfatt Andi ist so etwas wie der oberbayerische Oberbursch und er will am 1. Mai den Baum der Stadt übergeben. Deshalb werden sich die Diebe mit den Brauereien schon einig sein. Die Burschenvereine dürfen sich jedenfalls darüber freuen, dass sie quasi die Quelle angezapft haben. Den sechs Brauereien zusammen werden ein paar Hektoliter Auslöse (so ein 80-köpfiger Diebestrupp wird schon ein bisschen einen Durst haben) die Bilanz eher nicht versauen. Und den Burschen gebührt auch irgendwie die Dankbarkeit der Brauer. So viel kostenlose Werbung gibt es nicht alle Tage. Es hätte auch gut sein können, dass sich außer ein paar Touristen sonst kein Schwein für den Maibaum am Viktualienmarkt interessiert.

© SZ vom 12.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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