Münchner Momente:MVG: Minuten versickern gerne

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Die Anzeigetafeln und Signalanlagen von Bus, Bahn und Tram haben längst die Herrschaft über die Stadt an sich gerissen

Von Andreas Schubert

Es vergeht ja kaum ein Tag, an dem die arme MVG, unser aller liebe Münchner Verkehrsgesellschaft, nicht geprügelt wird. Auf Verspätungen und Ausfälle reagieren die Leute meistens, na ja, ausfallend. Dabei kann ja kein Mensch was dafür, wenn eine wild gewordene Technik den abgestumpften Alltagstrott der Pendlermassen durcheinanderbringt. Höhere Gewalt, heißt es dann oft, sei schuld. Höhere Gewalt? Lachhaft! In Wahrheit haben all die Anzeigetafeln und Signalanlagen dieser Stadt die Macht über uns an sich gerissen. Und damit wir uns in der Matrix ja nicht allzu wohlfühlen, machen sie sich immer wieder mal über uns lustig.

Wie neulich an einer Bushaltestelle der Linie 62: Die digitale Anzeige sagt, der Bus kommt in sieben Minuten. Alles easy, denkt man sich. Nach zehn Minuten steht die Anzeige auf null, jetzt kommt der Bus bestimmt gleich, aber dann, zack, springt die Anzeige plötzlich auf elf. Weil die nächste U-Bahn auch etwa elf Minuten Fußmarsch entfernt ist, weil es eh regnet und der Schirm natürlich zu Hause liegt, denkt man sich: Okay, viel Verkehr, warten wir halt. Nach 13 Minuten die nächste Null. Und pling, ein neuer Sprung, diesmal auf die Sieben, es geht zu wie beim Roulette. Zeit, sich gegen die Matrix aufzulehnen und zu Fuß auf den Weg zu machen. Also stiefelt man durch den Nieselregen los, und kaum ist man weit genug von der Haltestelle entfernt, sodass der Bus auch sprintend nicht mehr zu erreichen wäre, kommt er nach nur einer Minute um die Ecke gebogen.

Einigermaßen durchnässt steht man später am Bahnsteig, die U-Bahn fährt mit quietschenden Bremsen ein. So ähnlich muss sich jetzt auch das hämische Lachen der Anzeigetafel anhören, die einen vorhin verschaukelt und die klargemacht hat: Widerstand ist zwecklos.

© SZ vom 15.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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