Münchner Momente:Letzte Ausfahrt Trudering

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In München wird jeglicher bairischer Sound aus Herz, Hirn und Mund verbannt. Eine Schande. Doch es gibt Hoffnung - in einer Gegend, die schon zur Steinzeit bewohnt war.

Von Karl Forster

Als vor nicht allzu langer Zeit die SZ einen der münchnerischsten Menschen Münchens porträtierte, Beppi Bachmeier, den Wirt vom Fraunhofer, war auch von dessen Klage zu lesen, seine beiden Kinder sprächen kein Wort Bairisch. Zumindest nicht so, dass es wie Bairisch klingt und nicht wie eine Mischung aus Suaheli und Norddeutsch wie bei manchem Zugezogenen, der seine Begeisterung für die neue Heimat auch sprachlich verdeutlichen will. "Griaß Dich", "bitte ein halbes Massl", "Servustschüssikowski". Oder so.

Nun hat Bild, wie immer schnürend nach Sensationen, eine solche im Franz Xaver Kindergarten von Trudering ausfindig gemacht. Dort entdeckte die Zeitung, deren Heimat ja im Norden liegt, eine 63-jährige Münchnerin, die ehrenamtlich den Kindern Bairisch beibringt. Was natürlich fantastisch ist, weil damit einer Sprachkultur die Ehre wieder gegeben wird, die in Bayerns Hauptstadt massiv bedroht ist und nach einer roten Liste für Dialekte schreit. Allerdings sieht man die Gründe dafür, dass das Bairisch hierorts schon lange auf dem Abstellgleis steht, in eben solchen pädagogischen Institutionen wie Kindergarten oder Schule. Dort wurde und wird der Dialekt als das Böse schlechthin gebrandmarkt, als Bildungshemmnis und Karrierebremse, als Schandmal der Einschichtigkeit und zur Schau getragene Gestrigkeit. Kein Wunder also, dass selbst eingewanderte Niederbayernfamilien beim Nachwuchs sehr bald Wörter vermissen wie "Milli", respektive "Muich" (= Milch), "Gäh weida!" (= das glaubt kein Mensch) oder "leng ma no a Hoibe üba?" (= trinken wir noch ein halbes Massl?), weil sie als verpönt gelten. Hier wird jeglicher bairischer Sound aus Herz, Hirn und Mund verbannt zugunsten eines münchnerisch-neuhochdeutschen sprachlichen Wechselbalgs, der einen Höhepunkt in dem so prägnanten wie blöden Adjektiv "vollkrass" findet.

"Oa Oa und no a Oa san zwoa Oa", so lehrte es einst Münchens Volkshochschule. Der Kurs findet sich nicht mehr. Schade für eine Stadt, die der Münchner "München" nennt, jeder nichtmünchner Bayer aber "Minga". So ist Trudering eine letzte Hoffnung. War schließlich schon in der Steinzeit bewohnt.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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