Münchner Momente:Kleines Zeichen, große Wirkung

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Im Bebauungsplan fürs Werksviertel schlummerte jahrelang ein Fehler, der kuriose Folgen hätte haben können

Kolumne von Sebastian Krass

Schade, es wäre die Chance gewesen, mal nach oben auszuscheren, aus der unübersichtlichen Schar der Start-ups und Konzertsaalbauer, der Coworker und Edel-Kinderzubehörhändler, die sich im Werksviertel auf den Füßen stehen. 35 Meter hoch hätte eine Werbetafel sein dürfen, vom Münchner Stadtrat so beschlossen im September 2017 und seit April 2018 rechtskräftig. Aber bei all den Businessplänen und Social-Media-Strategien, die geschrieben werden mussten, hatte natürlich keiner Zeit, mal in Ruhe § 15, Abs. 3a des Satzungsbeschlusses für den Bebauungsplan mit Grünordnung Nr. 2016 zu lesen, ganz einfach zu finden auf Seite 26 von 140. Zulässig ist demnach im Werksviertel "pro Hauptzugang und Hauptzufahrt" je eine "freistehende Werbeanlage bzw. Sammelwerbeanlage bis zu einer Höhe von 35 m". Gut, von einer Breite von maximal einem Meter ist da auch die Rede, aber da hätte man sich schon ein Schild einfallen lassen können, das von weither zu sehen gewesen wäre.

Hätte, wäre, würde, es hilft nun alles nichts mehr. Das Planungsreferat war schneller. An diesem Mittwoch stimmte der Planungsausschuss des Stadtrats einem Beschlussentwurf des Referats zu, um den Bebauungsplan zu ändern, genau genommen, ihn um ein Komma zu ergänzen. Denn: "Die planerische Intention war lediglich die Zulassung einer Höhe von bis zu 3,5 m." In einer früheren Textfassung habe das auch so gestanden, erst später "gelangte der falsche Wert in den Entwurfstext", heißt es da - und das fehlende Komma blieb dann knapp drei Jahre unentdeckt.

Wer das Komma verschwinden ließ, ist unbekannt. Aber Münchens geplagte Vermieter und Bauherren können nun neue Hoffnung schöpfen. Vielleicht verrutscht im nächsten Mietspiegel der Stadt ein Komma, und der Richtwert zur Nettokaltmiete sind dann die schon längst angemessenen 117,3 Euro pro Quadratmeter statt der kläglichen 11,69 Euro aus dem Mietspiegel 2019. Oder im nächsten Hochhaus-Beschluss kommt wie von Zauberhand bei der zulässigen Höhe eine Null dazu, und an der Friedenheimer Brücke dürfen zwei Türme von 1,5 Kilometer Höhe entstehen.

© SZ vom 17.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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