Münchner Momente:Klatschnass am Beckenrand

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Was machen eigentlich Bademeister bei diesem Mistwetter? Wahrscheinlich haben sie eine gute Zeit

Von Inga Rahmsdorf

Es gibt einen Menschenschlag, der sich auch von dauerhaft feuchtem Klima nicht die Laune verderben lässt. Allen voran ist dabei sicherlich der Brite zu nennen, der auch im Sturzregen stundenlang ausharren kann, dabei noch quite amused Pudding mit Pies genießt und sich zum Aufwärmen Kräuterlikör hinter die Binde kippt, nur um einen Blick auf seine Queen in Pink zu werfen. Von einem etwas anderen Gemüt ist dagegen die Münchner Seele. Sobald es ein wenig nieselt, werden Schirme gespannt, Schritte beschleunigt und es wird gegrantelt, dass der Frühling ins Wasser gefallen sei. Dabei gibt es in München Orte, die nicht schöner sein könnten als bei diesem Wetter, und Menschen, die dem Regen unablässig trotzen: die einsam vor sich hin dampfenden Freibäder und ihre unerschütterlichen Bademeister.

Sehr verbreitet ist das Bild, dass der Bademeister ein sonnengebräuntes Wesen ist, das abgesehen von seinen Shorts unbekleidet und lässig zurückgelehnt in einem Plastikstuhl hoch oben über dem Beckenrand thront. Während er allein durch seinen Blick und das Anheben des rechten Zeigefingers eine Autorität ausstrahlt, der man noch nicht einmal tief unter Wasser am Beckenboden entfliehen kann. Doch die Realität sieht anders aus. Das fängt damit an, dass aus dem einstigen Bademeister längst ein Schwimmmeister geworden ist. Was wohl verdeutlichen soll, dass der mahnende Zeigefinger und eine Freude am Baden als Qualifikation nicht reichen.

Nun mag sich manch ein Schönwetterbader fragen, was so ein Schwimmmeister eigentlich den lieben langen Tag bei Regen im Freibad macht. Doch auch bei Mistwetter müssen die wenigen Schwimmer beaufsichtigt werden. Schließlich ist Ertrinken im Freibad nicht an klimatische Bedingungen gebunden. Zudem bleibt dem Meister nun Zeit, die Technik zu warten, Schrauben nachzuziehen, Unkraut zu zupfen - und endlich einmal in Ruhe mit den Badegästen zu plaudern. Denn das Schönste bei Regen sind nicht die freien Bahnen und die Ruhe im Freibad, sondern dass sich Schwimmer und Schwimmmeister nie näher sind, nie verbundener fühlen, als wenn sie sich gleichermaßen klitschnass gegenüberstehen.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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