Münchner Momente:Keine Werbung, bitte!

Lesezeit: 1 min

Die Lage ist ernst: München ist zu eng, zu attraktiv, zu teuer. Die Stadt muss gegensteuern.

Von Kassian Stroh

Die Lage ist ernst, so geht es nicht weiter. Kehrt um, Münchner! Dazu weist uns die Firma MBA Bau den Weg. Wenn sie schöne, teure, neue Wohnungen baut, so wie dieser Tage in Nymphenburg, hängt sie draußen an den Bauzaun ein großes Transparent: "Dieses Objekt steht NICHT zum Verkauf oder zur Vermietung!" Weil es natürlich längst weg ist. In ganz Deutschland lassen Bauträger Plakate drucken, um Wohnungen zu vermieten oder zu verkaufen - in ganz Deutschland? Nein, in München ist es andersherum.

Zu eng, zu attraktiv, zu teuer. Die Stadt muss gegensteuern, Anti-Werbung ist das Gebot der Stunde. Manch einer hat das auch bereits verstanden, Herbert König zum Beispiel, der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft. Er lässt uns alle nun wissen, dass seine U-Bahnen viel zu voll sind, das Verkehrssystem stehe kurz vor dem Kollaps. Da ist man doch drauf und dran, sein Jahresticket zu kündigen, um bloß nicht mehr Herrn König zur Last zu fallen. Oder gleich wegzuziehen. Noch rabiater sind sie inzwischen auf den Geburtsstationen der Münchner Krankenhäuser: Da weisen sie selbst Hochschwangeren die Tür. Angeblich weil es zu wenige Hebammen gibt. In Wahrheit aber, damit nicht noch mehr potenzielle Neu-Münchner dieses Potenzial auch realisieren.

Nur im Rathaus haben sie es versäumt, die Zeichen der Zeit zu erkennen, geschweige denn zu lesen. Im Tourismusamt tüfteln sie noch immer an Werbestrategien, um Fremde herzulocken. Zwar hat man sich dort inzwischen von allzu schönfärberischen Plakatbotschaften wie "Weltstadt mit Herz" oder "München mag Dich" verabschiedet. Der aktuelle Slogan ("Einfach München") geht in die richtige Richtung, ist aber immer noch zu positiv besetzt. Das zeigt sich an der völlig zerrupften Weihnachtsfichte auf dem Marienplatz: Die passt sich zwar gut ins Leitmotiv "Einfach München" ein, schreckt aber offenkundig noch viel zu wenig ab. Auf dem Christkindlmarkt zu ihren Füßen ist es so schrecklich voll wie immer.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: