Münchner Momente:Käse, ganz ohne Geruch

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Die Kasse ist ein Ort, an dem allerhand zu erleben ist. Den Kassierer im Supermarkt abzuschaffen, ist nicht nur deshalb eine seltsame Idee

Von Johann Osel

Kleine Schnurren an der Supermarktkasse haben in dieser Kolumne schon des Öfteren Erwähnung gefunden. Zum Beispiel kam da mal der junge Kassierer eines Marktes im Münchner Osten zu Berühmtheit. Er pflegte Waren beim Scannen nicht nur zu begutachten und mitunter zu beschnuppern, sondern ließ sich bei einem Käsestück auch mal zu dieser Aussage hinreißen: "Fuck, Alter, der stinkt!" Er machte offenbar ein Schnupperpraktikum im Einzelhandel. Das Bezahlen von Einkäufen kann amüsant sein, wenn Kurioses geschieht; es kann dabei Tratsch geben und Heiterkeiten, Missverständnisse, ein Lächeln oder Amouröses sogar. Die Band "Die Ärzte" hat das in einem Lied, späte Achtzigerjahre, mal in eine Art Liebeserklärung gegossen. "Denn sie trägt 'nen roten Minirock, / sie ist immer nett zu mir. / Manchmal bescheißt sie mit dem Wechselgeld, / sie ist das Mädchen von Kasse vier." Kurzum: Supermarktkassen verderben angesichts der Schlangen den Leuten oft die Laune. Sie können aber auch den Tag versüßen.

Das freilich muss in einem großen Supermarkt, ebenfalls im Osten der Stadt, leider entfallen. Dort finden sich mittlerweile mehr Selbstbedienungskassen, als leibhaftiges Personal. Da Kunden überfordert sein könnten - so rein theoretisch -, steht ein echter Mensch wachsam im Hintergrund. Ein Test also: ein paar Dinge, Duschgel, Käse, Cola, Blaubeeren, alles selbst einzuscannen. Es funktioniert nicht, bei keinem Artikel ein Pieps. Die Dame aus dem Hintergrund stürzt herbei und weist darauf hin, dass man die Waren nicht an den Scanner hält, sondern an ein Teil, das für irgendetwas anderes gedacht ist. Das Scannen gelingt dann doch. Aber: Zigaretten fehlen. "Wo sind die denn hier?" Dazu, erklärt die Dame freundlich, müsse man sich hier einen Bon ziehen und beim Ausgang wiederum an einem weiteren Automaten einlösen. Also: Bon ziehen. Dann Bezahlen - elektronisch. Das funktioniert auch nicht. Die Dame muss erneut einschreiten, die EC-Karte sei falsch eingesteckt, heißt es. "Wollen Sie noch Geld abheben?", fragt sie dann. Die Dame bricht den Vorgang ab, sie tippt erneut. Nun wird bezahlt. Und wo gibt's die Zigaretten? Die Mitarbeiterin weist, immer noch freundlich, den Weg.

Nun lassen sich einige Fragen aufwerfen: Ist das System tatsächlich alltagstauglich und ausgereift? Wenn selbst Leute scheitern, die sich als einigermaßen technikaffin verstehen, wie ergeht es dann Bürgern, die sich am liebsten noch im Kolonialwarenladen den Zucker abwiegen lassen würden? Wäre die Aufsichtsdame eine ganz normale Kassiererin, hätte sie dann in der Zeit nicht locker zehn Kunden klassisch betreuen können? Vor allem aber: Will man denn den Sozialraum Kasse wirklich so einfach aufgeben? Ja, nicht mal am Käse hat die Mitarbeiterin gerochen.

© SZ vom 24.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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