Es ist, Gott sei's geklagt, mittlerweile so, dass viele Münchner die Fastenzeit vor allem als Aufforderung verstehen, die Starkbiervorräte der örtlichen Brauereien auszutrinken. Gewiss, das Zeug muss weg, deshalb hat das Trinkritual ja zumindest den Segen der Braumeister. Ob es sich bei der Einkehr ins Wirtshaus aber um eine theologisch gerade noch zu billigende Variante der inneren Einkehr handelt, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob das nach fünf Mass Fastenbier unvermeidliche Schädelweh die Art von Buße ist, mit der man die Abkehr vom sündigen Leben erfolgversprechend einleitet.
Letztlich muss dies die Kirche entscheiden, in München vielleicht mit Hilfe der befreundeten Geheimdienste. Womöglich kommt es ja auch weniger auf das Bier an, sondern auf das, was der Bußfertige dazu verzehrt. So dürften Schweinsbraten und Wurstsalat selbst bei großzügiger Auslegung der Fastenregeln nicht im Sinne des Herrn sein.
Nun hat das in Hannover ansässige Pestel Institut einen Aspekt in die Debatte geworfen, der die vorösterliche Askese über das Religiöse hinaus zum Gebot der Stunde macht. Dabei geht das zum Institut gehörende ClimateCulture-Lab (CCL) streng wissenschaftlich vor, was man schon daran sieht, dass die CCL-Leute die genaue Zahl der in München lebenden Christen ermittelt haben. 764 295 sind es. Verzehren diese die übliche Fleisch-mit-Beilage-Kost, verursachen sie pro Woche den Ausstoß von 23 618 Tonnen Kohlendioxid. Ganz besonders klimaschädlich ist dabei Rindfleisch.
Wer zum Beispiel ein Kilo Rindersteak kauft, trägt ein Produkt nach Hause, bei dessen Erzeugung 14 Kilogramm CO₂ in die Atmosphäre gelangten. Anders gesagt: Fleischesser fördern die Erderwärmung und sind mitschuldig, wenn die Südseeinseln und Norddeutschland eines Tages im Meer versinken. Würden aber alle 764 295 Münchner Christen in der Karwoche nur Gemüse essen, wären schon mal 9319 Tonnen CO₂ eingespart. Keine Frage, dies wäre ein hartes Opfer, aber mit Starkbier ließe sich's aushalten. Und irgendwas muss man ja gegen den Treibhauseffekt tun. Um die Südseeinseln wäre es doch schade.