Münchner Momente:Auf eine letzte Runde

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Die Zeiten für alte, weiße Männer mögen keine leichten sein - doch in den Konzerthallen der Stadt tobt ihnen der Applaus entgegen. Man sollte sich das anschauen, solange es noch geht

Kolumne von Laura Kaufmann

Die Zeiten sind keine leichten für alte, weiße Männer. Große Beliebtheitswellen schlagen ihnen nicht entgegen. In den Münchner Konzerthallen aber sieht die Sache ganz anders aus: Da werden die alten, weißen Männer gerade gefeiert wie niemand sonst, da rinnen Tränen der Rührung, da tobt der Applaus für die ganz Großen, die gerade ihre letzten Runden drehen.

"Den wollte ich unbedingt noch mal live sehen", sagt ein Mann, der sich, euphorisiert von dem Elton-John-Konzert, gerade noch einen Absacker gönnt. Hätte sich gelohnt, drei emotionale Stunden, großartig. Man müsse sich die jetzt alle noch mal anschauen, sagt er, die großen Stars. Servus sagen quasi. Wobei, hat das nicht etwas Zynisches, nur aufs Konzert zu gehen, weil es vielleicht das letzte sein könnte, damit man später mal sagen kann: Mensch, den XY, den habe ich ja noch 2019 im Olympiastadion gesehen?

Solche Gedanken helfen nicht weiter, dieses Jahr gibt es einfach kein Auskommen: Elton John, Neil Young, Phil Collins; an diesem Mittwochabend spielt Sting auf dem Tollwood, Alice Cooper schaut im Herbst in München vorbei.

Aber ist es nicht fantastisch, dass die rüstige Rentnergeneration die Zuschauerränge füllt und nicht die glatten Zwanzigjährigen? Dass die entertainen, die auch wirklich was vom Leben zu erzählen haben? Junge Menschen können zum Beispiel die Botschaft mitnehmen, dass man sich nicht zwangsweise lebenslang von Chiasamen und Gojibeeren ernähren muss, um mit 70 Jahren noch mitten im Arbeitsleben zu stehen. Und: Der richtige Umgang mit dem Thema ist alles. Phil Collins zum Beispiel hat seine Tour selbstironisch "Still not dead yet", immer noch nicht tot, genannt, auf die Bühne kam er mit Gehstock, das Publikum feierte ihn frenetisch.

Wer sich daran stört, dass die Großen dieser Zeit vor allem alte, weiße Männer sind, der kann sich auf den Oktober freuen. Dann kommt nämlich auch Cher in die Stadt. Sie war übrigens schon vor 17 Jahren auf "Farewell", Lebewohl-Tour. Es wurde die am längsten andauernde Konzerttour der USA. Ihre aktuelle heißt "here we go again", frei übersetzt: Jetzt geht das schon wieder los. Ein gemütliches Rentnerdasein liegt einfach nicht jedem.

© SZ vom 09.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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