Kritik:Geschichte, ganz persönlich

Die Performerin Wangari Grace erzählt an den Münchner Kammerspielen von Menschen und Ereignissen aus der Kolonialzeit.

Von Anastasia Klimovskaya, München

Alle Ereignisse haben positiven und negativen Konsequenzen für die historische Entwicklung, das lernt man bereits im Geschichtsunterricht. In der Performance "Miseducation Munich #2" an den Münchner Kammerspielen nehmen die Geschichtenerzählerin Wangari Grace aus Nairobi und der Hamburger Musiker Sven Kacirek die Zuschauer mit zurück in die Kolonialzeit, um die Vergangenheit zu erkunden und dabei aus afrikanischer Sicht die gewaltigen und menschenverachtenden Ereignisse zu rekonstruieren.

Grace hinterfragt in diesem Stück die europäische Perspektive: Lässt sich beispielsweise das angebliche Ende der Sklaverei oder das "neugeborene" Verlangen der afrikanischen Völker, ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, als Vorteil betrachten? Und könnte dies tatsächlich die grausamen Ereignisse der Kolonialzeit rechtfertigen?

Die Performerin folgt der afrikanischen Technik des musikalischen Geschichtenerzählens, die traditionell für die Weitergabe des Wissens und der Erfahrungen an die nächste Generation benutzt wird. Grace befindet sich auf einer dunklen Bühne, umgeben von Gegenständen und Porträts der Persönlichkeiten aus der Kolonialzeit, und führt die Zuschauer mit ihrer Erzählung durch fünf ehemalige afrikanische Kolonien: Kongo, Kenia, Tansania, Namibia und Südafrika. Anhand der einzelnen Schicksalen berichtet sie über die gewaltige Taten der Besatzungsmächte, begleitet von einer geheimnisvollen Livemusik. Beispielsweise erzählt sie, wie eine britische Missionarin Alice Seeley Harris mit ihren dokumentarischen Fotografien geholfen hat, die Menschenrechtsverletzungen im Kongo in die Öffentlichkeit zu bringen oder wie die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba, gegen die damalige Rassensegregation kämpfte. Und so gelingt es dem Stück aus einer anonymisierten Belehrung über die Geschichte zu einer Sammlung an persönlichen Geschichten zu werden.

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