Münchner Haushalt:Neue Schulden kommen sicher

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Seit Jahren zeichnet sich die Münchner Stadtpolitik durch einen sehr besonnenen Umgang mit Geld aus. Das ändert sich gerade - aus koalitionstaktischen Gründen.

Kommentar von Frank Müller

Große Koalitionen stehen im Ruf, im Zweifel unbequeme und nüchterne Entscheidungen durchsetzen zu können. Gemessen daran macht sich das Rathausbündnis gerade ziemlich klein. Gerade noch war bei Schwarz-Rot finanzpolitische Stabilität das Maß aller Dinge. Nun gibt es schlagartig ganz andere Töne. Der Oberbürgermeister hält neue Schulden plötzlich für "wahrscheinlich". Übersetzt bedeutet das: Sie kommen sicher. Das kommt alles etwas schnell.

Die Art und Weise, wie im Rathaus gerade die großen Brocken zu einem Berg aufgetürmt werden, für den es zwingend zusätzliches Geld braucht, ist vordergründig plausibel. Und bei Licht betrachtet falsch. Gute Politik passt nicht den Finanzbedarf dem Wünschenswerten an, sondern umgekehrt.

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Bevor also vor allem der SPD-Teil der großen Koalition den Wiedereinstieg in die Neuverschuldung herbeiredet, müsste etwas ganz anderes passieren: Prioritätensetzung, Abspecken, Überprüfen. Wenn nicht mehr alles finanzierbar ist, dann ist nicht mehr alles finanzierbar - so platt lautet der Haushalts-Grundsatz Nummer eins.

Es ist die Abkehr von der erfolgreichen Finanzpolitik

Denn es geht ja nicht nur darum, dass die Stadt kurzzeitig klamm wäre und sich ein paar Euro zur Überbrückung leiht. Sondern um eine Abkehr von der erfolgreichen Finanzpolitik des letzten Jahrzehnts. Seit 2005 musste die Stadt keine Kredite mehr aufnehmen, sie hat stattdessen Schulden getilgt. Die Frage, ob die Stadt dabei manche Sanierung auf die zu lange Bank geschoben hat, ist berechtigt. Und dennoch: Der Kurs war richtig und nicht unbedingt das, was man einer rot-grünen Koalition von Haus aus zugetraut hätte.

Wenn dieser Kurs nun schon nach einem Jahr Schwarz-Rot ins Wanken gerät, dann stimmt etwas nicht mit der Statik dieser Koalition. Dann macht sie es sich zu leicht, ihre Streitereien dadurch zu lösen, dass sie im Zweifelsfall einfach die Wünsche beider Seiten beschließt. Symbolisch für diese Art der Politik war, wie der Stadtrat die neue U-Bahn nach Pasing beschloss: Die zahle man notfalls auch alleine und ohne Staatszuschuss, hieß es kraftmeierisch. Die Quittung dafür bekommt das Rathaus jetzt.

"Beispiellos in Europa" sei die Münchner Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte sagte Dieter Reiter bei seiner Antrittsrede stolz. Das war vor eineinhalb Jahren. Doch nun reiht sich die Münchner Politik leider recht nahtlos in den europäischen Schuldenmacher-Standard ein.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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