Schwer zu sagen, wo sich in diesem Frühjahr die längsten Schlangen gebildet haben. Die Ludwigshöher Straße, die Conwentzstraße, die Siemensallee oder auch die Kriegerheimstraße rangieren mit Sicherheit weit oben in der Tabelle. An den Rändern dieser Verkehrswege reiht sich auf vielen Dutzend Metern Länge Wohnmobil an Wohnmobil, Bootstrailer an Lastenanhänger, Wohnwagen an schrottreife Busse. Für manche Anwohner ist dies ein Ärgernis, denn die dauerhaft geparkten Vehikel rauben die freie Sicht und Stellplätze für ihre eigenen Autos. Und das Problem verschärft sich zusehends.
Die Zahl der zugelassenen Wohnmobile steigt seit einigen Jahren sprunghaft an. Seit 2019 hat sie sich in München mehr als verdoppelt, auf inzwischen rund 15 000. Bundesweit wurden in den vergangenen drei Jahren 300 000 Reisemobile und Wohnwagen neu zugelassen. Stark beschleunigt worden ist der Trend nachweislich durch die touristischen Beschränkungen der Corona-Pandemie. Camping in jeder Form war plötzlich wieder en vogue.
Der Boom hat Folgen, gut sichtbar nicht zuletzt an den Rändern vieler innerstädtischer Straßen, wo das Parken nichts kostet. Fahrzeuge dieser Art okkupieren öffentliche Verkehrsflächen mittlerweile in einem Ausmaß, das in vielen Stadtvierteln zu hitzigen Diskussionen führt. Kaum ein Bezirksausschuss, kaum eine Polizeiinspektion in der Landeshauptstadt, die sich mit dem Problem nicht wiederholt befasst hätte.
Einige Bürger, wie Nicole Mangold aus Solln, ergriffen selbst die Initiative, um den Anhänger-Andrang auf öffentlichen Straßen einzudämmen. Mangold startete vor gut zwei Jahren eine Online-Petition; die knapp 2000 mal unterzeichnet wurde. Erklärtes Ziel der Aktion: eine Erhöhung des Bußgeldes bei Parkverstößen, "konsequentere Kontrollen durch die Polizei" sowie mehr ausdrückliche Parkverbote.
Manche Wohnwagen verstauben bereits auf ihrem Parkplatz
Mit den Parkverboten ist das jedoch so eine Sache. Rein rechtlich sind Wohnmobile nicht anders zu behandeln als abgestellte Pkw. Also dürfen sie unbefristet parken, wo dies nicht ausdrücklich verboten ist. Und all die anderen missliebigen Vehikel, egal ob mit Münchner oder sonstigen Kfz-Kennzeichen, können immerhin 14 Tage lang an einer Stelle verharren, ohne bewegt zu werden. Danach genügt eine geringfügige Standortveränderung, und die Frist läuft von vorn. Die Polizei hat ihrerseits einen Trick drauf, um Verstöße gegen die mäßig wirksamen Bestimmungen zu registrieren: Sie orientiert sich an der Stellung von Räderventilen. Doch das übliche Verwarnungsgeld von 20 Euro schreckt die Fahrzeughalter augenscheinlich kaum. Manchen Wohnwagen sieht man schon an der Dicke der Staubschicht an, dass sie seit Monaten, wenn nicht seit Jahren am Straßenrand stehen.
Auf ein ungewöhnlich drastisches Mittel zur Eindämmung des Dauerparkens größerer Nutz- und Freizeitfahrzeuge setzt man im Stadtbezirk Sendling-Westpark. Dem dortigen Bezirksausschuss ist seit Ewigkeiten ein Dorn im Auge, wie die Inninger Straße von Wohnwagen-Besitzern in Beschlag genommen wird. Deshalb dringt das Stadtteilgremium auf den Rückbau der Fahrbahn. Partielle Entsiegelung und Begrünung statt dauerhaft zugestelltem Pflaster heißt das Ziel. Riesige Baucontainer am Straßenrand erfüllen gegenwärtig den Zweck der Aussperrung von Wohnwagen und ähnlich unerwünschten Fahrzeugen. Der Bezirksausschuss hat lange, sehr lange auf diese Lösung hingearbeitet. Ein paar hundert Meter weiter, an der Zielstattstraße in Obersendling, zeigt sich allerdings, dass sich die Heimsuchung lediglich verlagert haben könnte.
Saisonal verdichtet sich das Invasionsproblem, etwa wenn Kolonnen von italienischen Wohnmobilen zur Wiesnzeit in München einfallen. Doch die sind nach ein paar Tagen wieder weg. Sommers wie winters bleiben die einheimischen Liebhaber des Campings auf Rädern. Und denen ist schwer beizukommen. Dabei gäbe es für sie durchaus Möglichkeiten, nicht zum öffentlichen Ärgernis zu werden. Denn sowohl in der Stadt wie auch im Umland bieten Grundeigentümer Wohnmobil-Stellplätze zur Miete an. Die Preise liegen häufig unter denen einer Garage. Das Ausweichen auf einen Campingplatz, wie jenen in Thalkirchen, geht da schon eher ins Geld. Ein größeres Manko ist so oder so häufig die Wohnortferne.
Was den Liebhabern von Ferienwohnungen auf Rädern und anderen nur gelegentlich genutzten Großfahrzeugen ähnlich stark entgegenkommen dürfte wie die laxen Verkehrsregeln hierzulande: die achselzuckende Entspanntheit vieler Münchner und ihrer Kommunalpolitiker bei diesem Thema. Tenor: Irgendwo müssen die Dinger ja stehen. Vor allem dort, wo die Wohnbebauung spärlich ausfällt, wie streckenweise an der Drygalski-Allee oder der Höglwörther Straße, vermögen die Leute in den raumgreifenden Dauerparkern nicht wirklich ein ernstes Problem zu sehen.