München:Vielfalt im Miteinander

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Der Domagkpark, das Areal der Bayernkaserne und das Kreativquartier sind neue Stadtviertel auf ehemaligen Militärflächen. Ein virtueller Spaziergang des Planungsreferats zeigt auf, was heute zu urbanem Wohnen gehört

Von Nicole Graner, München

Thomas Kremer liebt das neue Quartier. Er wohnt im Domagkpark und wenn er von "seinem Viertel" spricht, dann schwingt alles mit: ein wenig Stolz, denn er ist nicht nur Bewohner, sondern war als Geschäftsführer der Wogeno, jener Genossenschaft für selbstverwaltetes, soziales und ökologisches Wohnen, natürlich an den Planungen beteiligt. Der Wohlfühlfaktor: Kremer lebt gern in diesem neuen Quartier, das auf vielen Säulen basiert. Und Begeisterung - für eine gelungene Planung.

Beim letzten von fünf Stadtspaziergängen, die passend zur digitalen Jahresausstellung "Die nachhaltige Stadt - Stadtentwicklung, Freiraum, Klimaschutz" des Referats für Stadtplanung und Bauordnung initiiert worden sind, geht es um den Wohnraum, der auf drei ehemaligen Militärflächen entsteht oder schon entstanden ist. Und ausnahmsweise macht es sich bezahlt, dass die Tour via Zoom stattfindet. Denn draußen nieselt oder schneit es an diesem Freitag. Und so spaziert Kremer virtuell durch sein Quartier. Mit 90 Zuhörern und ohne Regenschirm.

Im Domagkpark lässt es sich schon leben. (Foto: Corinna Guthknecht)

Auf der Fläche der ehemaligen Funkkaserne ist ein 24 Hektar großes Stadtviertel entstanden, das sich vor allem durch gemeinschaftliches und nachhaltiges Bauen auszeichnet. Von Anfang an hätten sich, so sagt Kremer, die Bauherrn zusammengetan und genau überlegt, was gebraucht wird und wie der öffentliche Raum aussehen soll. Das Ergebnis: ein zentraler Platz mit einem großen Spielplatz. Hier treffe sich nun alles. Ein Beispiel des "Miteinander Wohnens" ist der Gebäudekomplex an der Fritz-Winter-Straße. Dort gibt es ein Mobilitätsstation, ein Yogastudio, einen Quartierladen, eine Schreinerei im Keller und sogar - was die Anwohner besonders freut - einen Schuster. Etwas Besonderes ist der Dachgarten. "Hier oben werden die Früchte geerntet, die wir im Café unten verspeisen", sagt Kremer.

Auch auf dem 60 Hektar großen Areal der Bayernkaserne, auf dem in 5500 Wohnungen 15 000 Einwohner leben werden, geht es um moderne Strukturen des Zusammenlebens. Klaus Tröppner vom Planungsreferat der Stadt betont, dass dieses Gebiet "keine Schlafstadt" werden solle. Auch hier soll es in drei Bauabschnitten unterschiedliche Wohnformen geben. Holzbauweise ist geplant sowie eine aktive Erdgeschosszone mit allem, was das öffentliche Leben ausmacht. Der Schutt, der durch die Aushubarbeiten entsteht, soll so aufbereitet werden, dass er wieder in den Bau zurückgeführt werden kann. Man wolle, sagt Tröppner, daraus Beton herstellen. Einen Unterschied zum Domagkpark gibt es: Die Stadt hat inzwischen erkannt, dass nicht die Bauherren Grundlagen für urbanes, zeitgemäßes Wohnen schaffen müssen, sondern sie selbst.

Beton aus Schutt: Nachhaltig gebaut wird auf dem Bayernkasernen-Areal. (Foto: Robert Haas)

Im Kreativquartier auf dem Gelände der ehemaligen Luitpoldkaserne schließlich entstehen nach und nach 900 Wohnungen in vier Teilbereichen: das Kreativfeld, das Kreativlabor, der Kreativpark und die Kreativplattform. Mit dem Kreativlabor läuft vieles anders als ursprünglich geplant. Denn die eigentlich als Zwischennutzung gedacht Kreativmeile mit vielen Ateliers und Künstlern, soll nun in die Planung einbezogen werden, wie Ulrich Schaaf vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung erklärt. Kunst soll an diesem Standort in Zukunft eine wichtige Rolle spielen und "gesichert sein".

Der virtuelle Spaziergang, der auch mit kleinen Filmen aus den drei Quartieren untermalt und von Claudia Neeser (Guiding Architects Munich) kundig moderiert wurde, zeigt deutlich: Die Zeiten, in denen nur auf dem Reißbrett geplant wurde, sind vorbei. Die Bürger mit ihren Anregungen sind ein wichtiger Teil im Planungsprozess. Die Herausforderung an Architekten und Planer nach Ausdrucksformen für unterschiedliche Lebensweisen hat enorm zugenommen. Und es gibt kein Quartier mehr ohne die Frage, wie mobil die Menschen sein können. Vielseitigkeit ist angesagt.

© SZ vom 08.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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