Prozess in München:Patient muss für missglückte Augen-OP nicht zahlen

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Nach einer Operation am Grauen Star ist ein Mann weitsichtig statt brillenfrei. Er begleicht das Honorar des Arztes nicht - und sagt die OP am anderen Auge ab.

Von Stefan Simon

Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, wird mit verbundenen Augen dargestellt, die so herbeigeführte Fehlsichtigkeit ist eine Art Markenkern. Sie urteilt ohne Ansehen der Person, und irdische Gerichte sollen es ihr gleich tun. Das Amtsgericht München hatte nun in einem Fall von tatsächlich fehlender Sehkraft zu entscheiden - und tat dies zu Gunsten eines Patienten, der von der Abrechnungsstelle seines Arztes verklagt worden war. Der Mediziner hat demnach keinen Anspruch auf die Begleichung der Rechnung für eine Operation des Grauen Stars - und ist daran, verkürzt gesagt, auch selber schuld.

Der Katarakt ist eine Krankheit, bei der sich die Augenlinse langsam eintrübt, meist als Folge des Älterwerdens. Früher stand am Ende eine Blindheit, doch längst kann man die Linse durch eine künstliche ersetzen. Darauf setzte auch ein Mann aus Waldtrudering. Mit dem Augenarzt hatte er vorab "möglichste Brillenfreiheit in der Nähe" vereinbart, doch daraus wurde nichts: Das operierte rechte Auge hatte, anders als beabsichtigt, nicht -0,75, sondern +0,75 Dioptrien. Damit konnte der Patient zwar wunderbar in die Ferne sehen, im Nahbereich aber nur verschwommen.

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Verständlich, dass der Mann danach Fragen hatte, die der Mediziner beantwortete, indem er den Behandlungsvertrag kündigte. Er lehnte es ab, auch noch die geplante Operation des linken Auges vorzunehmen. Eine Rechnung bekam der Patient trotzdem, weigerte sich aber, die 2588,97 Euro zu bezahlen. Zurecht, befand das Gericht: "Die Katarakt-Operation am rechten Auge des Beklagten ist für diesen insgesamt wertlos, sodass kein Honoraranspruch besteht." Ein Arzt schulde zwar keinen Behandlungserfolg, sehr wohl jedoch "die Erbringung der von ihm versprochenen Dienste". Der Patient habe sich auch nicht vertragswidrig verhalten. Die Abrechnungsstelle hatte mit einem gestörten Vertrauensverhältnis argumentiert, doch das verwarf die Richterin: "Bei zu befürchtenden Behandlungsfehlern ist es nachvollziehbar, dass der Patient gerade dann, wenn weitere Behandlungen noch anstehen, ein klärendes Gespräch erwartet."

Ein Gutachter stellte überdies fest, dass die geplanten -0,75 Dioptrien nicht korrekt ermittelt gewesen seien, korrekt gewesen wären -2,5 Dioptrien. Das Ergebnis, im Nahbereich ohne Brille gut sehen zu können, sei mit der Operation des linken Auges nicht zu erreichen: "Dann könnten im Ergebnis die Werte des rechten und des linken Auges so weit auseinanderfallen, dass der Beklagte voraussichtlich Kopfschmerzen bekommen würde." Für die Richterin war die Sache klar. Neben dem Recht, die Zahlung zu verweigern, stehe dem Patienten Schadenersatz "aus Pflichtverletzung des Arztes" zu. Das Urteil (Az 159 C 22718/18) ist rechtskräftig.

© SZ vom 05.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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